Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
bei Caleb zugezogen hatte. Ich weiß genau, wo die Wunde ist. Ich habe sie selbst genäht. Dieser Mann hat keine solche Narbe.«
    Monk führte sie zur Tür. »Es tut mir leid, daß ich Sie hierhergebracht habe«, sagte er bitter. »Ich hätte Ihnen das erspart, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, es anderweitig in Erfahrung zu bringen.« Er nickte dem Angestellten des Leichenschauhauses zu, und der Constable folgte ihnen hinaus.
    »Ich weiß, daß Sie mir das gern erspart hätten, Mr. Monk«, erwiderte sie mit einem kleinen Hüsteln. Sie legte sich die Hand übers Gesicht und taumelte. Er gab ihr Halt, und der Constable trat schnell an ihre andere Seite. Gemeinsam führten sie sie zum Eingang und hinaus in die frische Nachtluft.
    »Vielen Dank.« Monk sah den Constable an. »Ich werde Mrs. Stonefield nach Hause bringen.«
    »Ja, Sir. Gute Nacht, Sir. Ma'am.«
    Als Caleb Stones Verhandlung am folgenden Tag wieder aufgenommen wurde, hatte Rathbone bereits Kenntnis von den Ereignissen des letzten Abends. Er bedauerte die Tatsache,, daß Genevieve sich dieser Tortur unterziehen mußte, genauso wie die Erkenntnis, daß es sich nicht um Angus' Leiche handelte. Gleichzeitig bewegte ihr Verhalten ihn zutiefst. Sie hätte es sich so leicht machen können. Es war unwahrscheinlich, daß irgend jemand ihr widersprochen hätte, wenn sie den Mann als ihren Gatten identifiziert hätte.
    »Sie muß doch wenigstens für einen Augenblick lang in Versuchung gewesen sein?« fragte er Monk, als sie im Regen die Stufen zum Gerichtsgebäude hinaufgingen. »Man hätte sie kaum wegen eines solchen Irrtums vor Gericht gestellt, selbst wenn man ihr jemals etwas hätte nachweisen können. Und es wäre die perfekte Lösung für all ihre Nöte gewesen.«
    »Und für unsere«, fügte Monk grimmig hinzu, während er Rathbone durch die gewaltigen Türen folgte und seinen Schirm von der Nässe befreite, bevor er ihn zusammenklappte. »Aber nein. Sie hat nur ein einziges Mal hingesehen und festgestellt, daß er es nicht sein konnte. Sie hatte keine Zweifel. Was ihr während der Fahrt zum Leichenschauhaus durch den Kopf gegangen ist oder während der wenigen Augenblicke, bevor sie ihn sah, werden wir wahrscheinlich niemals erfahren. Falls sie in Versuchung war, etwas anderes zu sagen, so hat sie dieser Versuchung jedenfalls widerstanden.«
    »Bemerkenswerte Frau«, sagte Rathbone leise, während er den Hut abnahm. »Ich wünschte, ich könnte sicherer sein, daß wir etwas für sie erreichen werden.«
    »Wenig Hoffnung?« fragte Monk.
    »Nicht so, wie die Dinge sich im Augenblick entwickeln«, entgegnete Rathbone. »Aber ich werde mein Bestes tun. Noch sind wir nicht geschlagen.«
    Der erste Zeuge des Tages war Monk selbst. Er berichtete über seine Suche nach Angus, die ihn schließlich zu der Entdeckung von Angus' Kleidern bei den Bettlern in der East India Dock Road geführt hatte, wo er sie gegen seine eigenen Gewänder getauscht hatte, um sie in die Hand zu bekommen.
    Dann erzählte er von seiner Verfolgung Calebs, bei der auch die Polizei zugegen gewesen war, und seiner Verhaftung in den Sümpfen. Ihre frühere Begegnung erwähnte Rathbone nicht, da alles, was Caleb damals gesagt hatte, im Prozeß nicht verwendbar war, weil es keine Zeugen dafür gab. Archie McLeish hatte auf der anderen Seite der behelfsmäßigen Tür gestanden und war damit außer Hörweite gewesen.
    Als Rathbone fertig war, erhob sich Ebenezer Goode. Er sah Monk aufmerksam an und hielt seinem Blick mühelos stand. Er erkannte in seinem Gegenüber einen Mann vom Fach. Seine Augen funkelten, und seine Lippen öffneten sich zu einem wölfischen Lächeln, das alle Zähne entblößte, aber er war viel zu klug, um anzugreifen, wo er nicht siegen konnte.
    »Wissen Sie, wo Angus Stonefield sich zur Zeit aufhält, Mr. Monk?« fragte er sehr freundlich, als führten sie in irgendeiner Taverne bei einem Glas Bier ein beiläufiges Gespräch.
    »Nein«, erwiderte Monk.
    »Wissen Sie mit Sicherheit, Mr. Monk, und unwiderlegbar, ob er lebt oder ob er tot ist?«
    »Nein.«
    Goodes Lächeln wurde, wenn das überhaupt möglich war, noch breiter.
    »Nein«, wiederholte er. »Genausowenig, wie irgend jemand sonst es weiß! Vielen Dank, das wäre alles.«
    Rathbone erhob sich und rief Lord Ravensbrook in den Zeugenstand. Eine leichte Bewegung im Zuschauerraum verriet ein gewisses Interesse, das jedoch nicht übermäßig groß war. Der Fall entglitt ihm, das wußte

Weitere Kostenlose Bücher