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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Sixpencestück, das er dem Mann bereits gegeben hatte, hinzufügte.
    »Und meinen Tee mit Brandy«, erinnerte der Kutscher ihn. Monk legte noch einmal Sixpence drauf.
    »Ha«, sagte der Mann gutgelaunt. »Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
    »Haben Sie denselben Mann früher schon einmal irgendwo hingebracht?« fragte Monk.
    »'n paarmal. Warum?«
    »Wohin haben Sie ihn gefahren?«
    »Einmal hierher, einmal nach Westen. Oh, und irgendwann mal die Edgware Road rauf, zu irgend 'nem Haus. Schätze, da hat er vielleicht gewohnt. Komisch, wie? Was will so'n anständiger Herr wie der bloß hier? Hier gibt's nix, was irgend jemand wollen könnte. Halbe Meile weiter weg haben sie sogar Typhus.« Er zeigte mit dem Daumen seines Fausthandschuhs nach Osten. »Und jemand hat mir erzählt, in Whitechapel hätten sie sogar die Cholera, oder vielleicht war's auch Mile End. Oder Blackwall, was weiß ich.«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Monk. »Das muß ich noch herausfinden. Ich nehme nicht an, daß Sie gesehen haben, in welche Richtung er ging?«
    Der Kutscher grinste. »Hab' mich schon gefragt, ob Sie daran denken würden. Ja, da lang ist er gegangen.« Wieder machte er eine ruckartige Bewegung mit dem Daumen. »Da lang, Richtung Isle of Dogs.«
    »Vielen Dank.« Monk beendete das Gespräch und ging in die Richtung, in die der Kutscher gedeutet hatte.
    »Wenn er da rein ist, werden Sie ihn nicht finden!« rief der Droschkenfahrer hinter ihm her. »Armer Teufel«, fügte er dann kaum hörbar hinzu.
    Monk befürchtete, daß er recht hatte, aber er drehte sich nicht um und verlangsamte auch nicht seinen Schritt. Es wurde schwierig für ihn, Angus aufzuspüren, es sei denn, daß er sich mit seiner Kleidung von den normalen Bewohnern dieses Viertels so sehr unterschieden hatte, wie Monk es jetzt tat. Aber es war unwahrscheinlich, daß er haltgemacht und in den verschiedenen Läden, die sich vereinzelt in dieser Straße befanden, irgend etwas erworben hatte. Es gab keine Zeitungshändler. Die Leute in Limehouse Reach hatten für solchen Luxus kein Geld, ganz zu schweigen von der Frage, ob sie überhaupt des Lesens kundig waren. Dinge, die sie interessierten, erfuhren sie aus mündlichen Berichten oder von den Straßensängern, deren Geschäft es war, alles, was sie an offiziellen Bekanntmachungen oder Gerüchten aufgeschnappt hatten, in endlose Verse zu fassen und sie dann in einer Art musikalischer Ein-Mann-Vorstellung an verschiedenen Orten zum besten zu geben, um von wohlwollenden Zuhörern ein paar Kupfermünzen einzuheimsen. Hier und dort gab es Anschlagtafeln für die wenigen Lesekundigen, aber auf keiner davon wurden irgendwelche Dinge zum Verkauf angeboten. Sogar die Hausierer hielten sich eher weiter westlich auf, wo die Wahrscheinlichkeit, Kundschaft zu finden, weitaus größer war.
    Er ging in einen Krämerladen, in dem Tee, getrocknete Bohnen, Mehl, Zuckersirup und Kerzen verkauft wurden. Der Laden war dunkel und roch nach Staub, Talg und Kampfer. Monk holte die Zeichnung von Angus hervor und erntete dafür einen leeren, verständnislosen Blick. Dann versuchte er es noch bei einem Apotheker, einem Pfandleiher, einem Eisenwarenhändler, einem Lumpenhändler und schließlich bei einem zweiten Eisenwarenhändler, aber überall mit ähnlichem Ergebnis. Die Leute starrten Monks teure Kleider an, seinen warmen, gut geschnittenen Mantel und die blankpolierten Stiefel, die seine Füße trocken hielten, und wußten sofort, daß er nicht zu ihnen gehörte. In Lumpen gekleidete Kinder mit Zahnlücken und schmutzigen Gesichtern, einige sogar barfuß, folgten ihm, bettelten um Geld, wobei sie abwechselnd pfiffen und hinter ihm her schrien. Er gab ihnen alle Pennys, die er bei sich hatte, aber als er nach Angus Stonefield fragte, verfielen sie in jähes Schweigen und rannten davon.
    Auf der Union Road, die auf den Fluß zulief und deren Gehsteige mit ihren abgebröckelten und ungleichmäßigen Pflastersteinen so schmal waren, daß er kaum darauf stehen konnte, versuchte er es, nur weil ihm nichts anderes einfiel, bei einem Flickschuster, der aus alten Schuhen neue machte.
    »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen, bekleidet mit einem ordentlichen Mantel und Zylinder? Vielleicht hatte er sogar einen Regenschirm bei sich?« erkundigte er sich mit ausdrucksloser Stimme.
    Der Flickschuster, ein schmalbrüstiger kleiner Mann mit pfeifendem Atem, nahm das Papier in die Hand und betrachtete es argwöhnisch.
    »Sieht für mich ein

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