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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Augen und wußte, daß er mit Arbuthnot gesprochen haben mußte.
    »Na, und wenn schon? Er hat sich nicht beschwert.«
    »Caleb hat Sie darum gebeten?«
    »Ich hab's Ihnen doch schon mal gesagt, ich gehe hin, wenn die Miete bezahlt werden muß und Caleb und ich das Geld nicht haben.«
    »Also gehen Sie in die Stadt und bitten Angus darum. Und er zahlt? Und das, obwohl Caleb ihn so verachtet?«
    Wieder sah Monk, daß ihr Kiefer sich verkrampfte. »Caleb redet nicht mit mir darüber. Geht mich nichts an. Wollte lediglich seinen Bruder sehen. Die beiden sind Zwillinge, wie Sie wissen. Das ist nicht wie bei normalen Brüdern. Seine Frau wird daran nichts ändern, auch nicht, wenn sie's bis zu ihrem letzten Atemzug versucht. Caleb hat keine Liebe für Angus, genausowenig wie Angus für Caleb. Aber Caleb braucht nur mit den Fingern zu schnippen, und er kommt angelaufen.« Sie sagte das mit einem gewissen Stolz und verriet damit eine Einstellung Angus gegenüber, die beinahe hätte Mitleid sein können, wenn nicht so zweifelsfrei festgestanden hätte, wem ihre Loyalität galt.
    »Und, Angus ist auch diesmal gekommen?«
    »Klar. Warum? Ich habe Ihnen doch gesagt, sie wird ihn nicht davon abbringen!«
    »Haben Sie ihn an bewußtem Tag gesehen?«
    »Ja!«
    »Ich meine nicht im Büro, ich meine hier auf der Isle of Dogs.«
    »Hier nicht. Ich habe ihn in Limehouse gesehen, aber er wollte noch hier vorbeikommen. Ich schätze, er ist rüber zu den West India Docks, Richtung Blackwall und dann wieder zum Fluß.« Sie bückte sich, legte ein Stück verfaultes Holz in das Feuer und schloß mit lautem Geklapper die Ofentür.
    »Aber Sie haben ihn gesehen?« fragte er hartnäckig weiter.
    »Hab' ich doch gesagt. Haben Sie was mit den Ohren?«
    »Haben Sie ihn mit Caleb zusammen gesehen?«
    Sie goß etwas Wasser aus einem Kübel in einen Kessel und stellte diesen dann auf den Herd.
    »Ich hab' Ihnen doch erklärt, daß ich gesehen hab', wie er in die Docks und Richtung Blackwall gegangen ist, und genau dahin wollte Caleb auch. Reicht denn das immer noch nicht?«
    »Hat Caleb gesagt, daß er ihn dort treffen würde?« fragte er.
    »Welche Anweisungen haben Sie Angus gegeben? Oder haben sie sich immer am selben Ort getroffen?«
    »Unten beim Viehkai im Gold Harbour, meistens jedenfalls«, erwiderte sie. »Jedenfalls hat er das damals gesagt. Warum?« Sie sah ihn abermals an. »Wen interessiert das schon? Jetzt ist er jedenfalls nicht da! Warum fragen Sie mich überhaupt so aus? Fragen Sie doch ihn! Er wird schon wissen, wohin er gegangen ist!«
    »Vielleicht ist er immer noch dort«, sagte Monk und zog die Augenbrauen hoch.
    Sie holte tief Luft, wie um ihn zu verspotten, und schien dann erst den Ernst in seiner Stimme zu bemerken; plötzlich kamen ihr Zweifel.
    »Wie meinen Sie das? Sie reden ja wirr!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Also, weshalb sind Sie eigentlich gekommen? Was wollen Sie? Wenn Sie was von Caleb wollen, sind Sie ein Narr! Gehen Sie doch, und suchen Sie ihn! Wenn Angus Sie geschickt hat, dann sagen Sie mir, worum's geht, und ich sag's Caleb. Er kommt, wenn ihm der Sinn danach steht, und wenn nicht, dann läßt er's bleiben.«
    Es hatte keinen Sinn, wenn er versuchte, sie zu überlisten.
    »Niemand hat Angus nach Ihnen noch gesehen.« Er sah ihr direkt in die Augen, große, dunkle Augen mit langen Wimpern.
    »Er ist nie nach Hause zurückgekehrt.«
    »Er ist nie…« Ihr Gesicht erbleichte unter dem Schmutz und der Schminke. »Was reden Sie da, Mann? Er ist bestimmt nicht einfach weggelaufen! Er hat da doch alles, was er braucht. Hat er irgendwas angestellt? Ist er vor den Bullen weggelaufen?« Eine Mischung aus Belustigung und Mitleid machte sich in ihrem Gesicht breit.
    »Ich halte das für sehr unwahrscheinlich«, erwiderte er ebenfalls mit einem Anflug von schwarzem Humor. Obwohl ihm, noch während er sprach, klarwurde, daß das nicht so völlig undenkbar war, auch wenn ihm dieser Gedanke vorher noch nie gekommen war. »Ich glaube vielmehr, daß er tot ist.«
    »Tot!« Sie wurde noch blasser. »Warum sollte er tot sein?«
    »Fragen Sie Caleb!«
    »Caleb!« Ihre Augen weiteten sich, und sie schluckte sichtbar.
    »Deswegen sind Sie also hier!« Ihre Stimme klang plötzlich schrill. »Sie glauben, Caleb hat ihn ermordet! Das hat er bestimmt nicht! Warum? Warum sollte er ihn nach all diesen Jahren töten? Das ergibt doch keinen Sinn.« Aber ihr Mund war trocken, und in ihren Augen stand schieres Entsetzen. Sie

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