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Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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herumgelaufen war. Polizei. Klar. Sie meinte sogar, einen dünnen Schweißfilm auf Munros Oberlippe zu erkennen. Er beachtete sie nicht, ging an ihr vorbei und fischte eine Packung Headeze aus der Tasche. Als er bemerkte, dass sie leer war, schob er die Lippen vor und warf sie in den Mülleimer.
    Stella beschäftigte sich im Empfangsbereich und holte die Schlüssel aus einem abgeschlossenen Schrank, ehe sie einen der Stühle ins Wartezimmer brachte, damit Eves Rollstuhl genau in die Ecke passte. Eve wusste, wie argwöhnisch die Sekretärin sie beobachtete; das tat sie schon, seit sie ihr als kleines Mädchen Spottreime vom Gartentor aus hinterhergerufen hatte. Stella McCorkindale hatte ein Gesicht, das Kindern Angst machte, große Froschaugen hinter einer Brille, die beständig die Nase hinunterrutschte. Als Eve jung gewesen war, hatte Stella einen Kropf gehabt, und Eve hatte sich vorgestellt, Stella habe ein Baby gefressen, das ihr im Hals stecken geblieben sei.
    Aber jetzt beherrschte Stella meisterhaft die Kunst, Eve angeekelte Blicke zuzuwerfen, womit sie wohl andeuten wollte, dass ihr Arbeitgeber Besseres zu tun habe, als sich mit zwei gestörten Schwestern und einer aufsässigen Mücke zu beschäftigen.
    »Ich bin sofort bei Ihnen, Eve«, sagte Douglas.
    Sie grinste und strich mit den Fingerspitzen über die Armlehne ihres Rollstuhls. Sie hatte es nicht eilig. Sie hatte lange auf dieses Gespräch mit Douglas Reginald Munro gewartet. Sie hatte angefangen, sich über ihn schlau zu machen, nachdem er sich an Lynne herangemacht hatte. Die einzige Person in seiner Umgebung, die sie nicht aufspüren konnte, war eine Ehefrau; er hatte jede Menge Freundinnen und eine Mutter, aber keine Angetraute. Douglas verdiente sein Geld, indem er dummen alleinstehenden Frauen deren Häuser abschwatzte. Dummen Frauen wie Lynne – er war der Spezialist für »hirnamputierte Singles weiblichen Geschlechts mit Immobilienbesitz«. Lynne verfügte zwar nicht über Immobilienbesitz, war jedoch hirnamputiert und dementsprechend nur halb qualifiziert. Sie hätte selbst alles über Munro herausfinden können, wenn sie nicht so betört von ihm gewesen wäre, und Liebe macht blind – taub in Lynnes Fall: Sie hätte einfach nur hören müssen. Und genau deshalb war Eve hier, weil sie Munro eine Chance geben wollte, sich mit Gewinn aus dieser Situation zurückzuziehen. Wenn er Lynne in Ruhe ließ, würde sie unterschreiben. Wenn nicht, eben nicht. Sie fügte nicht hinzu, dass er sich glücklich schätzen würde, wenn er in diesem Falle das neue Jahr erlebte. Sie stellte sich den majestätischen Hirsch im Visier vor, das Fadenkreuz zwischen seinen hübschen Augen, stellte sich vor, wie sie sanft den Abzug drückte. Als sie jetzt über ihre eigene Schlauheit lachen musste, tarnte sie es als Hustenanfall und studierte gleichzeitig die Körpersprache des Mannes. War er nervös? Hatte er Angst? Wusste er Bescheid?
    Eve gab vor, ihr Kissen zurechtzurücken, und beobachtete weiter Douglas, der in seinem Büro stand, leise ins Telefon sprach und mit den Schlüsseln in seiner Hosentasche klingelte. Privatschule, altes Geld, eine Familie mit Geschäftsbeziehungen, die Generationen alt waren. Sie betrachtete die Porträts im Wartebereich; dieser ganze geballte Scharfsinn, diese ganze geballte Bildung – und am Ende stand so ein beschissener Piranha.
    Douglas drehte sich um und legte die Hand über die Sprechmuschel. »Sie sollten besser losgehen, Stella. Nehmen Sie die Schlüssel mit und lassen Sie sich eine Quittung dafür geben. Ich schließe hier oben ab. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, aber es dauert wohl noch ein paar Minuten, Eve.«
    »Aber nicht doch«, sagte Eve. »Ich werde schon nicht aufspringen und mich vordrängeln, oder? Ich kann schließlich nicht auf eigenen Beinen stehen«, erklärte sie Stella.
    Die Sekretärin lächelte hämisch. »Das sehe ich selbst.«
    »Danke, Eve. Ich fasse mich kurz«, versprach Douglas und stieß die Tür mit dem Fuß zu.
    »Er hat wieder diese Kopfschmerzen, oder? Ich sage ihm immer wieder, er solle seine Brille tragen oder seine Augen lasern lassen oder was auch immer. Aber Männer hören einfach nicht, was? Eitelkeit, dein Name ist Mann!«
    Stella lächelte nur vage und fummelte an den Knöpfen des Telefons herum, als wollte sie sich nicht in die Angelegenheit hineinziehen lassen.
    »Ist das Douglas’ Mutter? Auf diesem Bild?«, fuhr Eve unbekümmert fort. »Man erkennt sofort die

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