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Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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gab sie weiter an Anderson, der sich bückte und durch das Loch im Fenster leuchtete.
    »Was gefunden?«, flüsterte Lewis. »Ist es Peter?«
    »Hoffentlich«, knurrte Littlewood. »Und hoffentlich haben Sie Mulholland auf der Ranch gelassen.«
    »Mist«, sagte Lewis. »Er ist an der Haustür.« Sie machte eine Kehrtwendung und lief davon.
    »Volltrottel«, grunzte Littlewood.
    Anderson sagte nichts; aber die Lampe bewegte sich nicht mehr. »Peter?«, rief er.
    Im Lichtstrahl lag ein kleiner blonder Junge auf dem Rand einer Matratze und hatte sich, das Gesicht zur Wand, zusammengerollt wie ein Baby.

29
     
    Es dauerte vier unendliche Minuten, die Haustür aufzubrechen. Der Lichtschalter funktionierte nicht, als sie in den schäbigen Flur vordrangen und die Schaufensterpuppe umstießen, die im Weg stand. Das Tamburin, das an deren Arm hing, landete rasselnd auf dem Boden und klingelte tonlos.
    »Wyngate, halten Sie sich dicht bei Colin, nur für alle Fälle«, sagte Littlewood, während sich Anderson an ihm vorbeischob.
    Anderson rannte vor und öffnete eine alte Tür im hinteren Teil des Flurs, und dahinter wäre er beinahe in ein Loch im Boden gefallen, wo die Dielen verrottet waren und die Balken darunter nachgegeben hatten. Es roch nach Moder und Feuchtigkeit. Er kehrte in den Flur zurück und versuchte es an der nächsten Tür. Diese war neuer und mit einem glänzenden Aluminiumschloss versehen. Er stieß sie auf und wäre nun fast kopfüber eine schmale Steintreppe hinuntergestürzt. Er krachte an die Wand, wo die Stufen einen Bogen machten, und dann erreichte er unten wieder einen Gang. Zwei Türen, beide geschlossen. Er drückte die erste Klinke, die Tür öffnete sich nicht. Er ging einen Schritt nach hinten, zielte, trat zu und ignorierte den Schmerz, der ihm in die Rippen schoss. Schon war er durch, und Wyngate folgte ihm hinein.
    Der Boden bewegte sich unter ihnen; Ratten huschten auseinander, suchten hastig Deckung und stoben davon wie ein Schwarm Fische. Anderson streckte die Arme nach dem kleinen Körper aus, der in eine Decke gehüllt war, sank auf die Knie, wiegte den Jungen vor der Brust und sagte wieder und wieder den Namen seines Sohnes: Peter. Er presste das aufgequollene Gesicht des Jungen an sein eigenes und vergrub seine Hand im Haar des Kleinen, und er drückte sich das Kinn so fest an die Brust, dass Wyngate sie mit Kraft trennen musste.
    Dann lehnte sich Anderson zurück und sah auf, und er bemerkte das reglose Gewicht, bemerkte, dass der Junge nicht reagierte, nicht atmete. »Oh, nein, nein, nein …«
    Der Saum der Hose spannte sich fest um das geschwollene Fleisch am Knöchel. Die Haut war schwarz und aufgeplatzt, Nagetierzähne hatten ihre Gebissabdrücke hinterlassen und blutendes rosa Fleisch freigelegt. Anderson starrte zu Wyngate hoch. »Er ist tot, er ist tot«, sagte er, blind vor Tränen. Er wollte aufstehen, doch Wyngate drückte ihn an der Schulter nach unten.
    »Ja, er ist tot. Aber, Colin«, sagte Wyngate sanft, »seit wann hat Peter einen goldenen Ohrring? Es ist nicht Peter.«
    Littlewood stand oben an der Treppe und schrie ins Telefon, dass sie Verstärkung brauchten und einen Krankenwagen. Lewis hatte einen zweiten Jungen im gleichen Raum gefunden. Es war Luca – sie hatte sein Foto oft genug gesehen –, und er war halb erfroren. Immerhin atmete er, langsam und rasselnd und stockend, und er fragte unablässig nach seiner Mum. Lewis zog sich ihre Polizeijacke aus, legte sie um den Jungen und sich und hielt ihn im Arm, damit ihr Körper ihn wärmen konnte.
    Irvine und Mulholland eilten an Littlewood vorbei in die Dunkelheit. Lampen flammten auf, doch er beachtete das alles nicht. »Bringen Sie Quinn hier runter«, rief er ins Telefon. »Sofort!« Als die Sirene des Krankenwagens näher kam, zählte er kurz alle Anwesenden durch und stellte Burns an die Tür, bis das Absperrband angebracht war. »Das ist Costellos Toyota; lassen Sie sie rein, aber sonst niemanden. Machen Sie den Notärzten Platz. Und auf gar keinen Fall lassen Sie Mulholland hier rein.«
    »Vik Mulholland?«, fragte Burns. »Der ist doch gerade an Ihnen vorbeigegangen.«
    Mulholland schob vorsichtig die Tür auf. Wie im Rest der Wohnung herrschte auch im Wohnzimmer Dunkelheit. Die riesigen Samtvorhänge sperrten selbst das karge Licht der Nacht aus, und mit Ausnahme der Blaulichter, die sich draußen drehten, war es stockfinster. Er sagte kein Wort zu niemandem, und niemand sagte etwas zu ihm. Niemand

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