Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
Vom Netzwerk:
nicht auf. Luca fing an zu weinen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Seine Mum hätte inzwischen längst da sein müssen, war sie aber nicht.
    Mittlerweile fühlte er sich ganz schrecklich allein.
    Er legte sich neben Troy, klaute ihm eine Ecke der Bettdecke und schob sich darunter, zog sie fest um sich und versteckte sich. Troy hatte jetzt keine Decke mehr, doch er regte sich nicht, also schien es ihn nicht zu stören.
    Durch das Fenster oben in der Wand konnte er nur den Himmel sehen, und Schneeflocken tanzten in kleinen Spiralen nach unten. Er sang. Er sang die Weihnachtslieder, die er in der Schule gelernt hatte, Lieder über Engel und Sterne und Schnee. Wenn seine Mum nicht kam, dann vielleicht an ihrer Stelle ein Engel.
    Anderson klopfte einmal und noch ein zweites Mal an, ohne Zeit für eine Antwort zu geben. Es war drei Uhr morgens, draußen herrschten minus sechs Grad, Glasgow lag unter einer dichten Schneedecke, und Anderson hatte keinen Mantel an. Trotzdem lief der Schweiß an ihm hinunter. Er rüttelte am Griff der Windfangtür, betrachtete sie und schätzte Gewicht und Stabilität ab, um sie gegebenenfalls einzutreten.
    »Costello ist eine gute Polizistin, nicht?« Littlewoods Worte bildeten Wölkchen in der kalten Luft. »Sie irrt sich doch nicht. Selbst wenn wir nicht wissen, ob sie recht hat. Aber sie sagt, wir müssen mit dieser Frances reden.«
    »Glauben wir etwa, Mulholland hat ihr Informationen gegeben? Bestimmt nicht, bestimmt macht er solche Fehler nicht.«
    »Wir wollen nur mit ihr reden, Colin«, erwiderte Littlewood. Er würde Colin nicht auf die Nase binden, wie weit Costellos Verdacht ging. Bald würden sie Bescheid wissen. Er betastete die Türangeln, um herauszufinden, ob die vielleicht angerostet und damit nicht mehr so stabil waren. »Die hebele ich mit einem Brecheisen aus, wenn es sein muss.«
    Anderson trat zurück und schaute an den vier Geschossen des Wohngebäudes hoch. Absurderweise fielen ihm jetzt seine Tage im Innendienst ein, wenn Leute voller Panik anriefen: Polizei, bitte kommen Sie. Ja, wo sind Sie denn? Zu Hause. Und wo wohnen Sie? Ich weiß nicht mehr. Das hatte er nie verstanden, bis heute, denn heute hatte er es begriffen.
    Littlewood übernahm nun die Initiative und sagte entschlossen: »Sie bleiben hier, und ich schau mir mal die Rückseite an. Wenn sie die Tür aufmacht, wenn irgendwer die Tür aufmacht, gehen Sie mit rein. Und lassen Sie sie reden.«
    Der Straßenlärm von der Hyndland Road wurde durch die Nachbargebäude gedämpft. Aber Anderson, der nun allein am Beaumont Place in der Dunkelheit stand und von Ungewissheit geplagt wurde, war froh, den Verkehr überhaupt zu hören. Es war tröstlich zu wissen, dass das Leben irgendwo weiterging. Er spähte durch den Briefkastenschlitz, sah jedoch nichts in der Dunkelheit. Er tastete nach seiner kleinen Taschenlampe und fluchte. Sie steckte in seiner Jackentasche, und die Jacke war in der Wache. Die Klappe vom Briefschlitz fiel zu, als er losging, um sich die große Lampe aus dem Wagen zu holen, und er fluchte noch einmal. Sie waren in Littlewoods altem Sierra hergefahren.
    Er bückte sich erneut zum Briefschlitz, blinzelte hindurch und wartete, ob sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen würden. Eine Glastür, das Glas stark gemustert, und die weiße Farbe der Holzverkleidung ringsum blätterte ab. Hinter der inneren Tür konnte er nichts mehr sehen. Nur Dunkelheit. Niemand zu Hause. Er drückte die Messingklappe des Briefschlitzes ganz nach oben, presste die Stirn an den Rahmen und schaute so weit er konnte. Er sah Briefumschläge und den Rand einer Zeitung, die bei der Landung aufgeschlagen war. Das genügte nicht, um festzustellen, ob es die Post eines Tages oder einer Woche war. Littlewood hatte ihm gesagt, sie hätten mit Vik nicht über diese Sache gesprochen. Das mit Datumsstempel versehene Bild von Frances Coia, die um 19:20 mit wehendem langem Mantel über den Monitor geht, hatte sich Anderson ins übermüdete Hirn gebrannt. Und das Gleiche galt für das körnige Bild von Peter, der ihr nur eine Minute voraus gewesen war. Die Erinnerung zündete eine eisige Flamme tief in ihm, und sein Herz wurde kälter. Sie hatten sich auf dem Weihnachtsbasar kennengelernt, Frances und Peter. Frances hatte Peter den Goldfisch geschenkt, und sie hatten gespielt – Backe, backe Kuchen –, während er mit Mulholland geredet hatte. Peter würde sich daran erinnert haben, und verwirrt in der Dunkelheit der

Weitere Kostenlose Bücher