Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
geschäftlichen Dingen noch im Privatleben. Von Männern verstehst du so viel wie ein Lokführer vom Fliegen. Munro-Immobilien hätte dich längst auf die Straße gesetzt, wenn ich nicht gewesen wäre.«
»Sobald er die Scheidung durch hat, ziehen wir zusammen. Du solltest jetzt deinen Stuhl feststellen und mit mir nett essen. Mach doch das Beste daraus.«
»Ach, du dumme Kuh«, gab Eve zurück und schaute Lynne zu, wie sie ein paar Salatblätter und zwei Gurkenspiralen auf einem Teller arrangierte. Sie war enttäuscht, weil ihre Schwester auf den hingehaltenen Köder nicht angebissen hatte, der ihr auf demütigende Weise enthüllt hätte, dass Eleanor nicht Mrs. Munro, Douglas’ Ehefrau, sondern Mrs. Munro, Douglas’ Mutter, war. Aber das konnte sie auch noch eine Weile für sich behalten. »Nur ein Steak?«, fragte sie und beobachtete, wie das Stück Fleisch langsam gegrillt wurde und sich der Geruch von Verbranntem in der Wohnung ausbreitete.
»Ich wollte nicht so viel essen, weil ich ein wenig Kopfschmerzen habe. Ich nehme nur ein bisschen Salat und Pilze.«
»Nimm doch eine von meinen Schmerztabletten«, sagte Eve, steckte den Finger in die Mayonnaise und lutschte ihn ab, wobei sie ein Geräusch von sich gab wie ein Flussbagger. Sie sah auf die Uhr. »Aber ich sollte meine nächste Runde mal einnehmen. Wo sind sie?«
»Auf der Arbeitsplatte, wo du sie gelassen hast, wie immer.«
»Ich muss dem Arzt mal sagen, dass ich eine höhere Dosis brauche; mit diesen halte ich es nicht mehr aus. Ich brauche vor allem mehr Schmerzmittel, wenn ich versuche, wieder auf meinen eigenen Beinen zu gehen. Ist ganz schön anstrengend, weißt du.«
»Du bist ganz schön anstrengend«, murmelte Lynne vor sich hin und ließ die Kapseln aus der Hand vor Eve auf den Tisch rollen.
Die beiden sahen sich einen Moment in die Augen. »Hier, nimm so eine.« Eve legte eine der Kapseln zurück in Lynnes immer noch offene Hand.
Colin Anderson glaubte, er sei gut vorbereitet. Er würde ruhig bleiben und sagen, was er zu sagen hatte. Wenn Helena unschuldig war, würde sie verstehen, was er fragen musste. Wenn nicht, musste er Bescheid wissen.
Und, wie geht’s?, probte er für sich selbst und ging den Korridor entlang auf die Flügeltüren der Station zu. Weißt du zufällig, wo Peter steckt? Wie konnte er sie das fragen?
Wie könnte er sie das nicht fragen?
Costello hatte vielleicht recht, was Helena anging; aber er selbst blickte leider überhaupt nicht mehr durch, was er denken sollte.
Links standen zwei Betten und rechts auch zwei. Helena war nirgendwo zu entdecken. Rechts lag eine fette Frau, ein unförmiger rosa Klumpen unter einem blauen Laken, und um sie herum hatten sich mehrere dicke Kinder versammelt. Im Bett dahinter war eine ältere Frau mit kurzgeschorenem grauem Haar, die krank wirkte, als würde der Krebs sie von innen auffressen. Links lag eine schlanke Gestalt halb abgeschirmt hinter einem Vorhang. Ihre Arme lagen seitlich, ihr Bauch hob und senkte sich sanft, ihr Gesicht wurde von einer Sauerstoffmaske verdeckt. Auch mit der Maske wusste er, dass es nicht Helena war. Er wandte sich automatisch dem vierten und letzten Bett zu und setzte sein Wie geht’s?- Lächeln auf, aber darin saß aufgerichtet eine alte Grauhaarige, hielt Händchen mit ihrem Ehemann und lachte.
Sie war gar nicht hier.
Dann sah er der Frau mit dem Kurzhaarschnitt in die Augen, und sie lächelte ihn an. Erst jetzt erkannte er sie. Er bemühte sich, den erschrockenen Ausdruck aus seiner Miene zu verbannen, und hoffte nur, sie würde nicht bemerken, wie gern er Reißaus genommen hätte.
Helena streckte ihm die Hand entgegen, und in dem dünneren Gesicht traten beim Lächeln die Zähne stark vor. Die Augen waren dunkel und strahlten Schmerzen aus.
Bei ihr standen keine Stühle, und sie hatte keinen Besucher.
Mist.
Er holte tief Luft – Und, wie geht’s?
Aber sie sprach als Erste. »Hallo, Colin.« Sie klang ein bisschen verzweifelt, fast tieftraurig. Ihre Hand kam ihm entgegen, wurde jedoch vom Infusionstropf in der Reichweite eingeschränkt; er wusste nicht, ob er sie ergreifen und halten oder einfach übersehen sollte. Schließlich nahm er sie; die Haut war kalt und feucht, als wäre der Tod schon da gewesen. »Ich habe es bereits gehört«, flüsterte sie. »Entsetzlich. Es ist so schrecklich.«
»Wir haben all ihre Bewegungen nachvollzogen und das ganze Haus auseinandergenommen. Keine Spur von dem kleinen Mann. Wir müssen wieder von
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