Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
zu erkundigen.«
»Vermutlich ist es ihr gutes Recht, danach zu fragen.«
»Aber nicht, ihn zu sehen, wenn sie eine Verdächtige ist. Ist sie eine Verdächtige?«, wollte Anderson wissen.
»Möglicherweise. Für eine trauernde Tochter kommt die Anfrage doch ziemlich rasch, oder?«
»Und Quinn ist fast ausgeflippt, weil sie nichts vorliegen hatte und Sie nicht da waren.«
»Wirklich schlimm.«
Anderson sah, dass Costellos Kopf bedrohlich zur Seite rollte. »Soll ich Sie zu einem Arzt fahren?« Er blickte auf die Armbanduhr, als hätte er einen wichtigen Termin. »Da hätte Quinn zusätzlichen Papierkram auf dem Schreibtisch, wenn Sie offiziell krankfeiern.«
»Nein, nur nach Hause.« Sie biss die Zähne zusammen, ihr ging es in der Tat richtig übel.
»Ich muss eigentlich das Kostüm für Peter abholen, Puff the Magic Dragon. Für das Krippenspiel. Die arme Brenda sitzt zu Hause fest, weil Claire über Halsschmerzen klagt. Aber bei ihr weiß man nie. Vielleicht ist sie nur eifersüchtig auf Peter und die Aufmerksamkeit, die er für seine Starrolle bekommt. Na, ich sause später nach Hause.« Er seufzte. »Soll ich den Expressway nehmen? Ich muss so bald wie möglich wieder in der Wache sein.«
»Der Expressway geht schneller«, sagte Costello abgehackt. Sie versuchte unbeholfen, das Fenster zu öffnen, ohne dabei den Kopf zu bewegen oder die Augen aufzumachen. »Puff the Magic Dragon?«
»Fragen Sie nicht.« Nachdem Anderson vor der roten Ampel an der Great Western Road angehalten hatte, griff er hinüber und kurbelte das Fenster für sie herunter. Brenda würde in die Luft gehen, falls Costello sich in dem Wagen übergab. »Und irgendwann muss ich auch noch meine Weihnachtseinkäufe dazwischenschieben. Sie als Frau, haben Sie nicht eine Idee, was Brenda sich wünschen könnte?«
»Eine Scheidung.«
»So viel wollte ich eigentlich nicht ausgeben.« Anderson seufzte. »Aber wie Sie schon sagten, die letzten Wochen waren schwer für uns alle. Ich bin zu Hause im Augenblick nicht zu gebrauchen; ist auch für Brenda nicht so leicht …«
»Sie haben Ihren besten Freund verloren.« Costello sah aus dem Fenster und schloss die Augen, als würde ihr das Tageslicht Schmerzen bereiten.
» Wir haben unseren besten Freund verloren.«
»Ja, sicherlich.« Costello beugte sich vor, hielt sich den Kopf und versuchte, die Bewegungen des Wagens vorauszuahnen, während sie kreuz und quer durch die schmalen Straßen von Rowanhill in Richtung Fluss fuhren. Ihre Sinne waren aufs Äußerste geschärft, sie roch Benzin, die frische Druckerschwärze einer Zeitung und das ranzige Fett der Pommes von gestern …
»Könnten Sie kurz anhalten?«, bat sie eindringlich.
Anderson zog links rüber und rumpelte über die Begrenzungssteine einer Rasenfläche. Costello öffnete die Tür und hängte sich in den Sicherheitsgurt, während ihr Magen drei Cracker und zwei Tassen Earl Grey wieder von sich gab, und zwar genauso schäbig, wie sie nach unten gerutscht waren.
Das Pochen im Schädel nahm an Heftigkeit weiter zu, bis es sich anfühlte, als würde ihr Hirn auseinanderreißen, und einen Augenblick lang befürchtete sie, ohnmächtig zu werden. Der Boden näherte sich ihr bedenklich, aber eine Hand packte sie sanft am Kragen und zog sie langsam wieder nach oben in den Sitz. Sie legte den Kopf in die Hände und wäre am liebsten gestorben. Ihr baumelte etwas Ekliges aus der Nase, und etwas noch Ekligeres rann ihr aus dem Mundwinkel. Aber Anderson, der hingebungsvolle Vater zweier Kinder, hatte jede Menge Papiertücher im Handschuhfach. Zuerst musste er einige verkrustete zur Seite schieben, und er entschuldigte sich für seinen schrecklichen Sohn. »Geht es besser?«
Sie drückte sich ein sauberes Tuch vor den Mund und nickte vorsichtig.
Er griff über ihren Schoß hinweg und schloss die Tür, weil ein kalter Wind hereinwehte, und sie spürte, wie sich der Wagen wieder in den Verkehr einfädelte, hörte den Regen, der unablässig auf die Windschutzscheibe prasselte, und das leise Schaben der Scheibenwischer, hin und her, hin und her. Sie öffnete die Augen und sah Wassertröpfchen, die kleine Kometenschweife hinter sich herzogen, ehe sie der Wischer vom Glas schob. Und wieder und immer wieder wurden sie durch neue ersetzt …
Dann erkannte sie, dass sie zu Hause war.
Jemand stupste sie sanft an der Schulter an. »Ich glaube, das ist Ihr Handy. Die Wache. Ich geh dran. Ich sag ihnen, Sie rufen an, sobald Sie wieder bei Kräften
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