Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
murmelte Littlewood. »Diese Miss Lewis ist wirklich hübsch anzuschauen, aber ich würde ihr nicht weiter trauen, als ich spucken kann.«
»Ja. Ich wette, es vergehen keine drei Wochen, bis einer von uns wegen sexueller Belästigung dran ist«, sagte Anderson. »Wenn Costello sie nicht vorher zum Frühstück verspeist.«
»Ja«, meinte Littlewood. »Trotzdem ein verdammt hübscher Hintern.«
Eve Calloway zog ihr Handy aus der Seitentasche ihres Rollstuhls, als sie hörte, dass ihre Schwester durch die Wohnungstür eintrat. Sie rief die Stoppuhrfunktion auf und drückte auf Start. Lynnes Rekord im Herumtrödeln lag bei sechs Minuten und zehn Sekunden. Sie war einfach eine zwangsgestörte Kuh. Eve lauschte und stellte sich die Szene bildlich vor: Lynne zog sich den Mantel aus, schüttelte ihn und schnüffelte in den Raum hinein, um herauszufinden, was Eve ohne ihre Erlaubnis gegessen hatte. Lynne fummelte vor dem Spiegel im Flur an ihrem glanzlosen blonden Haar herum – das allein konnte zwei Minuten dauern. Dann richtete sie ihr Gesicht, damit sie wenigstens ein bisschen hübsch aussah – dafür brauchte sie eine Ewigkeit. Schließlich hörte Eve die Badezimmertür – heute gab es einen großen Auftritt, also mindestens acht Minuten. Der beigefarbene Mantel würde auf einem Bügel mit Karomuster an der Dusche aufgehängt werden, sie würde den Kragen geradeziehen, jeden zweiten Knopf schließen, den Gürtel zuschnallen und den Saum in die Duschwanne heben. Anschließend war der Handtuchheizkörper an der Reihe: Sie würde die Handtücher zu ordentlichen Quadraten mit rechten Winkeln zusammenlegen. Und so weiter und so fort.
Eve drehte sich zu Squidgy um und flüsterte: »Was, meinst du, ist es heute? Dass ich ihre Handtücher benutzt oder dass ich den Heizkörper aufgedreht habe?«
Squidgy wollte ihr seine Meinung nicht mitteilen.
»Eve!« , rief Lynne durch den Flur. »Hast du meine Handtücher benutzt?« Die Stimme blieb beharrlich. »Eve?«
Eve sah Squidgy an und schnitt eine Grimasse; eines musste sie ihrer Schwester lassen, sie übersah nichts. Jetzt ging sie durch den Flur zurück zur Wohnungstür und holte die Post. Eve hörte Zeitungsseiten knistern – Lynne gab wieder dem Zwang nach, sich die Immobilienpreise anzuschauen. Wieder Schritte im Flur, diesmal schneller.
»Sieh mal, Eve, ein Flugblatt für den Weihnachtsbasar an der Rowanhill-Schule. Hör mal! Als Gäste erwartet werden Rogan O’Neill und die Bestsellerautorin Evelynne Calloway. Das bin ich.«
»Eigentlich bin ich das«, korrigierte Eve sie.
»Nein, ich. Glaubst du, irgendein anständiger Verleger würde dich und deine schmutzige Ausdrucksweise in die Nähe von Kindern lassen? Gott, du bist schon hier drin eklig, wer weiß, wie du draußen in der großen weiten Welt wärst!« Lynne betrachtete das Flugblatt wie eine Niete bei einer Lotterie und verzog das Gesicht. »Hast du die Zeichnungen gemacht? Du hattest den ganzen Morgen Zeit.«
»Ich habe ihnen volle fünf Minuten gewidmet. Mehr habe ich nicht gebraucht, weil ich doch so ein kreatives Genie bin.«
Lynne ließ das Thema fallen. »Gut. Rogan O’Neill hat bestätigt, dass er zu dem Basar kommt. Und sieh dir das mal an – Helena Farrell wird erst nach mir genannt.«
»Nach uns «, berichtigte Eve. Sie zog sich den Block heran und zeichnete mit ein paar groben Strichen, wie Lynne von Squidgy erwürgt wurde.
»Vergiss nur eines nicht: Du heißt nicht Eve, jedenfalls nicht, wenn wir zusammen in der Öffentlichkeit sind. Ich bin Evelynne, und du bist ein Niemand.«
Mit honigsüßer Stimme setzte Eve zum Vergeltungsschlag an. »Denk doch mal nach, Lynne. Douglas wird dir jetzt nicht mehr widerstehen können; bald wirst du dich unter den gleichen wichtigtuerischen Wichsern bewegen wie er. Schade, dann triffst du andauernd seine Frau.« Eve schlug sich mit der Faust kräftig auf die Brust und zog lautstark einen Klumpen Schleim hoch. »Weil das ganze Geld nämlich ihr gehört. Da brauchst du schon ein bisschen Kohle, wenn du ihn ihr ausspannen willst. Oder zumindest größere Titten.«
»Deswegen steigt er ja jetzt ins Immobiliengeschäft ein, genau aus dem Grund. Des Geldes wegen, meine ich. Geld für uns.«
»Er muss doch als Strafrechtler gut verdient haben. Als Verteidiger, der Schuldige vor ihrer gerechten Strafe schützt.« Eve ließ den Satz in der Luft hängen.
Lynne wechselte das Thema, ehe Eve sich hineinsteigerte. »Kann ich die Zeichnungen sehen, die du
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