Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
dem Fenster hatte sich Schimmel gebildet. In der Ecke wartete ein Luftentfeuchter auf seinen Einsatz, und Anderson stieß mit dem Fuß an das Gerät: Es war mit Kondenswasser gefüllt. Die Heizung war kalt und zwar, wie es sich anfühlte, schon seit einer geraumen Weile.
Colin Anderson machte seinen Anorak zu und öffnete Fenster und Tür, damit frische Luft durchwehen konnte. Es war ein typisches Jungenzimmer, gar nicht viel anders als Peters. An den Wänden hingen Poster, fiel ihm auf, die so hoch festgemacht waren, wie der Junge sich recken konnte. Etwas höher über dem Bett, niedriger an den übrigen Wänden. Das Federbett war noch aufgeschlagen, so, wie Troy es verlassen haben musste. An der Fußleiste auf dem Boden lagen ein gebrauchtes T-Shirt und ein Paar Socken. Eigenartigerweise war die übrige schmutzige Kleidung ordentlich in der Ecke gestapelt. Colin öffnete den Schrank und fand ein paar Kleidungsstücke vor, die ordentlich aufgehängt waren, aber ein wenig muffig rochen. Er entdeckte einige DVDs und eine kleine Sammlung Videokassetten, meistens Wallace und Gromit oder Disney-Klassiker. Im Wohnzimmer stand allerdings kein DVD-Player, und andere Lücken im sonst üblichen Ausstattungsmüll der Menschheit deuteten darauf hin, dass das Gerät beim Pfandleiher gelandet war und niemals ausgelöst werden würde.
Anderson zog die Schubladen einer kleinen Kommode auf und fand weitere T-Shirts und ein Päckchen aus Alufolie. Vorsichtig öffnete er es und sah ein hausgemachtes Empire-Biskuit mit dem blau-weißen schottischen Andreaskreuz, das ein wenig verrutscht war. Hinten in der Schublade lagen eine Reihe bunter Papierschirmchen, wie man sie bei Cocktails als Dekoration benutzt. Anderson ließ den Blick durch den Raum schweifen und blieb an einem schwarzen Schuhkarton in der Ecke hängen, auf dem ein zusammengelegter Pullover, ein Video und ein Paar löchrige Socken lagen. Troy hatte damit angefangen, das Schildchen zu beschriften – für meine Fräunde in Parkistan –, und hatte mit ähnlich schlechter Rechtschreibung hinzugefügt, dass es in »Schotlant keine Ärtbeben gibt« und » wir Glük ham «.
»Scheint ja ein nettes Kind zu sein, dieser Troy«, meinte er.
»Hey, sehen Sie mal hier – ein Abholzettel für ein Rezept«, sagte Costello und winkte mit einem Stück Papier. »Für etwas, das Penicillin V heißt. Aber nicht für die Mutter. Sondern für ihn. Soll ich anrufen und fragen, wofür das ist?«
»Ich weiß es. Das haben sie mir für Claire gegeben.« Anderson wurde bleich und setzte sich auf das Bett. »Das ist schon eine Woche alt. Wenn wir das O’Hare zeigen, wird er uns sagen, wir sollen nach einer Leiche suchen.«
»Ich glaube, es würde sich lohnen, ihn zu fragen. Ein krankes Kind kommt vielleicht bei den Medien besser an.« Costello zog ihr Handy aus der Tasche. »Ich müsste seine Nummer eigentlich irgendwo gespeichert haben. Ich fasse nur nicht, dass Alison ihr eigenes Rezept abgeholt hat – dieses Fläschchen mit Kapseln, das sie in der Hand hatte, war von Dienstag. Warum hat sie also seine Medikamente nicht gleich mit abgeholt? Es sei denn, er wäre gar nicht hier gewesen, um sie einzunehmen …«
»Oder sie war zu breit, um zu begreifen, wie wichtig es war. Diese Halsentzündung kann tödlich enden.« Er dachte an Brenda. Seine Frau war nicht auf den Kopf gefallen, und hatte sie die Krankheit nicht ebenfalls unterschätzt?
Costello tippte sich bis zu O’Hares Nummer durch und wählte sie. »Wie konnte sie uns das nur verschweigen? Sie hat es nicht einmal erwähnt. Vielleicht liegt er jetzt tot hinter irgendeiner Mülltonne. Wenn er zusammengebrochen ist, wird er bei diesem Wetter bestimmt erfrieren. Oh, es klingelt …« Costello verstummte und lächelte dann. »DS Costello hier, darf ich mich vielleicht kurz von Ihrem umfassenden Wissen bedienen?« Sie schilderte ihm, was auf dem Rezept stand, sagte dann ja … ja … ja … und leise o nein , ehe sie sich bedankte und ihr Handy zusammenklappte.
Nachdenklich schaute sie eine Weile vor sich hin, bis Anderson fragte: »Und?«
»Falls er schlecht ernährt war, hat er das Rezept vielleicht nur bekommen, weil er ein schwaches Immunsystem hat. Aber wenn er bei diesem Wetter draußen unterwegs ist, wird er mit einer zweiten Infektion – zum Beispiel durch verdorbenes Essen oder so – nicht mehr fertig werden.« Sie zog die Finger über die Kehle.
»Dieser O’Hare ist ein putziges Kerlchen.« Anderson zeigte ihr das
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