Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
geschlossen wurde. Der Riegel wurde vorgelegt. Eve wälzte sich herum, verbog ihren Körper in die Position, die am unbequemsten aussehen musste, und dann, erst dann, rief sie um Hilfe.
Freitag,
22. Dezember
16
Es war acht Uhr dreißig morgens und dunkel. Der Tag versprach, nicht viel heller zu werden. Feine Schneeflocken tanzten in der Luft und flogen den Unachtsamen ins Gesicht, stachen in warmes Fleisch und riefen in ungeschützten Augen Tränen hervor. Die Temperatur draußen lag bei minus zwei Grad, und in der Wache konnte es nicht viel wärmer sein. Das keineswegs zufällige Treffen im Gang zwischen DCI Rebecca Quinn und DI Colin Anderson sollte die gefühlte Temperatur noch ein wenig mehr sinken lassen.
Anderson war höflich, zeigte sich jedoch unnachgiebig. Er stellte sich ihr in den Weg und zwang sie, stehen zu bleiben. »Ich möchte kurz mit Ihnen sprechen.«
»Ich habe zu tun, DI Anderson, und wir haben jetzt eine Besprechung. Zeit und Ort sind im Moment …«
»… genau richtig, ja. In der Besprechung geht es um das Zyanid, oder? Nicht um die Jungen.«
DCI Quinn biss sich auf die Lippe, antwortete jedoch nicht.
»Den Suchmannschaften mangelt es an Disziplin, doch niemand kümmert sich darum, niemand beaufsichtigt sie, am allerwenigsten Sie, was mir den Eindruck vermittelt, Sie würden, um es höflich auszudrücken, die Ermittlung nur pro forma weiterführen. Die wichtigen Ressourcen werden bei dem anderen Fall eingesetzt. Was ist also los?«
»DI Anderson, gewiss kann ich Ihren Standpunkt verstehen. Aber bislang sind fünf Menschen an einer Zyanid-Vergiftung gestorben, und bislang wurde nicht geklärt, woher das Gift stammt. Fünf Menschen. Wenn das eine Mordserie wäre, mit ordentlichem Blutvergießen und allem Drum und Dran, würden wir nicht hier stehen und darüber diskutieren müssen, oder? Nur weil die Todesart ein bisschen subtiler ausfällt, ist das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen nicht geringer.« Die letzten Worte zischelte sie, weil ein Putzmann vorbeiging. »Was die Kinder betrifft, so verfolgen wir Spuren, und das wissen Sie.«
»Welche Spuren?«
»Spuren. Der wichtigsten Spur, die wir haben, wird nachgegangen, das versichere ich Ihnen. Wir tun, was wir können. Sie allerdings nicht.«
»Und wer dann?«
Quinn verriet sich mit einem Seitenblick zur Glaswand ihres Büros. »Ich muss jetzt los.« Sie trat um ihn herum, und ihre Absätze klackerten geschäftig über das Linoleum.
»Es ist schwierig, zwei Ermittlungen parallel zu führen. Das könnte gefährlich werden. Falls Ihre große Spur in die Irre führt, und falls das herauskommt …« Quinn blieb stehen und drehte sich um. »Wir müssen absolut sauber arbeiten, das haben Sie selbst gesagt.«
»Und wenn mir die Hände gebunden sind?«
»Machen Sie sie frei. Geben Sie mir PC Smythe.«
»PC Smythe? Keine Ahnung, wer das ist.«
»Dann werden Sie ihn kaum vermissen. Und geben Sie mir Wyngate für den Computerkram. Dazu das ursprüngliche Suchteam. Einen Wagen vor Ort. Einen Zivilen, der sich mit der Home-Office-Datenbank auskennt. Lassen Sie mich den Job anständig machen.«
Quinn schien nachzudenken.
Anderson drängte weiter. »Wenn die Sache schiefläuft, kann man uns wenigstens nicht an den Karren fahren. Nicht unserer Abteilung.«
Quinn nickte langsam. »Okay.« Und wandte sich ab.
Anderson folgte der Richtung, in die sie gerade geblickt hatte. DS Littlewood hing mit geschlossenen Augen am Telefon und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. Er sah aus, als wäre er die ganze Nacht hier gewesen, und Anderson hatte keinen Grund, etwas anderes anzunehmen. Littlewoods Computer war durch ein Passwort gesichert; er arbeitete allein … und dann erinnerte sich Anderson daran, dass Littlewood ein paar Jahre bei der Sitte gearbeitet hatte.
Im Schmuddeldezernat.
Pädophile.
Anderson lehnte sich an die Wand und fluchte.
»Richtig, Leute, wichtige Entwicklungen.« DCI Quinn tippte mit dem Rand eines Ordners auf die Schreibtischkante und wartete ab, bis Ruhe eingekehrt war. »Könnten wir ein bisschen mehr Licht bekommen, bitte?« Sie wartete, bis sich die Leuchtröhren flackernd eingeschaltet hatten und leise beharrlich brummten. »Richtig, Lewis, wollten Sie ihnen die Geschichte schildern? Die Manipulation der Arzneien?«
Beinahe wie ein Mann drehte sich die Abteilung ein wenig auf ihren Sitzen. Costello sah Anderson an, der aus dem Fenster starrte, zuschaute, wie sich düstere Wolken
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