Sein letzter Fall - Fallet G
auch die hat er allein verbracht.«
»Ausgezeichnet«, sagte Reinhart unzufrieden. »Und in diesem Restaurant am Donnerstagabend war es ebenso?«
»Genau so«, bestätigte Verlangen. »Soweit ich weiß, hat er nur mit mir geredet.«
»Soweit du weißt?«
»Er hat nur mit mir geredet«, korrigierte Verlangen sich.
Reinhart holte seufzend Luft.
»Verdammter Mist«, sagte er. »Hast du irgendwelche Ideen? Etwas, das dir eingefallen ist, seitdem wir uns das letzte Mal gesprochen haben?«
Verlangen rauchte nachdenklich.
»Er hat es getan«, sagte er. »Ich bin mir sicher, dass es Hennan ist, der sie auf dem Gewissen hat, aber ich weiß nicht, wie er es gemacht hat. Die einzige Möglichkeit ist wohl, dass er einen Helfer hatte… Ich sehe zumindest keine andere Lösung.«
Reinhart drehte sich um ein Viertel auf seinem Stuhl und schaute zur Decke. Dachte eine Weile nach und wandte sich dann wieder Verlangen zu.
»Nein«, sagte er. »Wir auch nicht. Wenn du uns jetzt noch sagen kannst, wo wir diesen Helfer finden, dann ist dir dieser Zeitungsmissgriff vergeben.«
Verlangen wand sich und schaute auf die Uhr.
»Ist sonst noch was?«, wollte er vorsichtig wissen.
»Im Augenblick nicht«, antwortete Reinhart. »Du triffst dich mit deiner Tochter?«
»Ja.«
»Wie alt ist sie?«
»Siebzehn.«
»Darf ich dir einen Rat geben?«, fragte Reinhart.
»Ja? Ja, natürlich.«
»Geh erst nach Hause und mach dich ein wenig frisch. Keine Siebzehnjährige möchte mit jemandem zusammen gesehen werden, der aussieht, als hätte er auf der Parkbank geschlafen.«
Verlangen versprach, dem Rat zu folgen, und trottete hinaus. Reinhart schüttelte den Kopf und öffnete das Fenster.
Zehn Sekunden später rief der Kommissar an.
»Bist du so weit?«, fragte er. »Ich habe mir gedacht, dass wir uns demnächst wieder Hennan widmen sollten.«
»Ich bin so weit«, bestätigte Reinhart. »Bin in einer Minute da.«
19
Als er am Samstagnachmittag nach Hause kam, war es fünf Uhr, und das einzige lebende Wesen, das ihn empfing, war Bismarck.
Dieser freute sich dafür aber, ihn zu sehen. Auf dem Küchentisch lag eine Nachricht von Renate, in der sie ihn darüber informierte, dass sie nach Chadów gefahren sei, um ihre Mutter zu deren Geburtstag zu besuchen. Vielleicht würde sie bis Sonntag dort bleiben, wenn er es genauer wissen wollte, konnte er sie ja jederzeit anrufen.
Was Erich betraf, so befand sich dieser draußen am Meer bei guten Freunden. Sie hatte ihm das Versprechen abgerungen, vor Mitternacht zu Hause zu sein, aber ob er das auch einhalten würde, wusste sie nicht. Es würde nichts schaden, wenn der Vater anwesend wäre und ihr in dieser Hinsicht ein wenig helfen würde.
Van Veeteren zerriss die Nachricht in vier Teile und warf diese in den Mülleimer. Er spürte eine jähe Wut in sich aufsteigen und sehnte sich mit einem Mal danach, im Auto zu sitzen und vor allem davonzufahren. Vor der Arbeit, dem Zuhause, der Ehefrau, dem Sohn – weg von dem ganzen aufreibenden, sich aufdrängenden Leben, das manchmal mit nichts anderem verglichen werden konnte als mit einer Art chronischem Juckreiz. Tief unter der Haut und weit unten in der Seele. Es war ein primitives, kindliches Gefühl, das wusste er auch, und es machte die Sache nicht gerade besser.
Als ob genau das der Grundzustand wäre, dachte er. Dieser trübe Ursumpf, aus dem man die ganze Zeit versucht herauszukriechen und den man mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Jeden Morgen, jeden Tag bis ans Ende der Zeit. Sobald man nicht auf der Hut war, war man wieder gefangen und zappelte darin. Zurück auf Start.
Er trank ein Bier, ging unter die Dusche und zog sich saubere Kleidung an. Das half ein wenig. Er drehte im Randers Park mit Bismarck eine Runde. Das Wetter war erträglich, bewölkt, aber ohne Wind, und sicher einige Grad über zwanzig. Er beschloss, auswärts zu essen.
Und unter keinen Umständen seine Frau anzurufen.
Aber es war dumm, sich weiterhin selbst zu betrügen, das dachte er auch noch. Einfältig, sich einzubilden, sie wäre das Problem in dem Drama.
Das war nicht Renate. Das war er selbst.
Er kehrte gegen neun Uhr nach Hause zurück, und auch dieses Mal war der Hund der Einzige, der ihn empfing. Sie machten noch einen Parkspaziergang, jetzt in leichtem Nieselregen, aber danach bat er Bismarck, sich doch schlafen zu legen, damit er die Chance bekäme, in aller Ruhe sich so einigen Menschengedanken zu widmen. Bismarck nickte, gähnte und
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