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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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Klamotten wie in einem Schauerroman, und jetzt griff sie hinein und biss die Zähne zusammen. Carlow hörte ein mehrmaliges Reißen von Stoff. Noelle brachte mehrere weiße Fetzen Stoff zum Vorschein und gab sie ihm. »Ich hab ihn«, sagte sie und legte Manchester wieder die Hand auf die Brust.
    Carlow bückte sich und band ihm die Fußgelenke zusammen, dann fesselte er ihm die Handgelenke auf dem Rücken, stopfte ihm ein Stoffknäuel in den Mund und benutzte den letzten Streifen als Knebel.
    »Was willst du mit ihm machen?« fragte Noelle.
    »Rettungsboot.«
    Sie hatten sich über eine Woche lang jeden Abend diese alberne Sicherheitsübung angesehen, deshalb wusste Carlow genau, wie die Glasschiebetür zu öffnen war und wie man ein Segment auf der Oberseite des darunter befindlichen Rettungsboots aufmachte. »Halt ihn weiter«, sagte er und wollte aufstehen.
    »Warte!«
    »Warum?«
    »Verdammt, Mike«, sagte sie. »Nimm ihm die Kamera ab. Der hat meinGesicht fotografiert, und deins wahrscheinlich auch.«
    »Ach, natürlich, sorry.«
    Carlow setzte sich wieder hin und klopfte Manchester ab; er fand erst das Diktiergerät und dann die Minolta. »Nette Kamera«, sagte er und steckte beides ein.
    Er sah sich um. Das schläfrige Paar saß noch an derselben Stelle. Zum Heck hin schauten drei oder vier Leute aufs Wasser hinaus, flussabwärts, dorthin, wo das Schiff gerade gewesenwar, und unterhielten sich. Carlow stand auf, ging zu der äußeren Glaswand hinüber, schob eine Scheibe auf, stieg auf das gewölbte Dach des Rettungsbootes hinaus, bückte sich, drehte den steifen Griff um fünfundvierzig Grad und zog daran, und schon öffnete sich ein rechteckiges Stück des Dachs. Er ging zu Noelle zurück, setzte sich wieder neben Manchester und sagte: »Jetzt muss ich ihn da rüberschaffen.«
    »Leg ihn mir über den Schoß«, sagte sie, »und schieb uns rüber.«
    »Wird gemacht.«
    Er hielt Manchester fest, während Noelle aus eigener Kraft ein Stück rückwärts rollte. Dann stand er auf, packte Manchester unter den Achseln und hob ihn in Sitzposition auf Noelles Schoß. »Das ist also ein totes Gewicht«, witzelte Noelle.
    Carlow schob den Rollstuhl mit den beiden zu der offenen Glastür, durch die jetzt die kalte Nachtluft hereinkam. Er hielt an, sie schubste, und Manchester purzelte heraus und in das Rettungsboot hinunter. Carlow verzog das Gesicht. Er würde zwar auf einem Stapel Rettungsringe landen, aber trotzdem. »Ade«, sagte Noelle.
    »Morgen wird er Kopfweh haben«, meinte Carlow, während er den Rollstuhl beiseite schob, um alles wieder zu schließen.
    »Jetzt kann er dadrin ein Foto machen«, sagte Noelle ungerührt. »Arschloch.«

 
    SIEBEN
     
    Susan Cahill konnte Morton Kotkind eigentlich nicht leiden, das sah Sternberg ihr an. Sie lächelte ihm zu und präsentierte ihm ihre Titten, sie ebnete ihm den Weg, als sie ihren langen Inspektionsgang durch das Schiff machten, sie gab sich redlich Mühe, ihn beim Dinner am Kapitänstisch zu unterhalten, weil der Kapitän selbst sich alle Mühe gab, nicht freundlich und entgegenkommend zu sein, sondern statt dessen recht überzeugend einen Eisberg aus seiner Heimat spielte; und trotzdem, das sah Sternberg ihr an, konnte Susan Cahill Morton Kotkind eigentlich nicht leiden.
    Was Sternberg nur recht sein konnte, denn er hatte Kotkind auch nicht leiden können, in den Tagen in der Anwaltskneipe in der Court Street in Brooklyn, wo er den Mann kennenlernte, ihn so gut kennenlernte, dass es ihm gestern ein wahres Labsal gewesen war, ihm die K.-o.-Tropfen zu verabreichen. Wahrscheinlich, dachte Sternberg, würde Cahill mir genauso genüsslich K.-o.-Tropfen verabreichen, und bei dem Gedanken musste er lächeln.
    Cahill sah es und lächelte prompt zurück, über den Tisch hinweg. »Herr Abgeordneter«, sagte sie, »wie ich sehe, amüsieren Sie sich.«
    »Ich bin nicht hier, um mich zu amüsieren«, erwiderte er ungalant und setzte wieder seine mürrisch-arrogante Miene auf, was sie aber tapfer ignorierte.
    In Wirklichkeit amüsierte er sich doch, und zwar königlich,und das passierte ihm selten bei einem Job. Richtig wohl fühlte er sich nur daheim, in seinem kleinen Haus in London – 2, Montpelier Gardens, SW 6 –, mit dem kleinen, von alten Mauern umschlossenen Garten dahinter, Rosen links und rechts, Gurken und Rosenkohl hinten. Dort lebte er, und in dieser Stadt lebten seine Freunde, Menschen, die nichts mit Kriminalität irgendwelcher Art zu tun hatten, außer

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