Sein letzter Trumpf
neben das Schiff, auf der Seite mit der offenen Tür, wo Parker mit leeren Händen im Licht stand.
Hanzen warf ihm die Leine zu, und Parker gab sie einem viel größeren Mann, der auf Hanzen hinabgrinste, während er Hanzens kleines Boot dicht an der Spirit of the Hudson hieltund Parker und ein dritter Mann hineinsprangen. Dann packte der Große den äußeren Griff der Tür, sprang ins Boot und schlug die Tür hinter sich zu. Das tat er, vermutete Hanzen, damit nicht plötzlich ein Licht in der Bordwand war, das vom Ufer aus hätte bemerkt werden können.
»Okay«, sagte Parker.
Aber etwas stimmte nicht. Hanzen schaute die drei Männer an. »Wo ist das Geld?«
»Das geht einen anderen Weg«, sagte Parker.
Ach du Scheiße. So eine Pleite. Hanzen hatte einen Anfall noch schlimmerer Verzweiflung als sonst, und damit Parker sein Gesicht nicht sah, drehte er sich zum Steuer um und sagte: »Also, dann sehen wir zu, dass wir hier wegkommen.«
Er beschleunigte und hielt von dem Schiff weg ins Dunkle, während die drei die Reisetasche öffneten, die Parker ihm vorher gegeben hatte, mit der Anweisung, sie aufs Boot mitzubringen. Darin waren die Sachen, die sie anziehen wollten, um nächtens ausfahrende Fischer zu werden, während die Anzüge, weißen Hemden und Krawatten zusammen mit einem großen Stein in der Reisetasche schon bald auf dem Grund des Flusses liegen würden.
Hanzen knirschte mit den Zähnen und biss sich auf die Unterlippe. Hatte er sich verraten? Aus dem Augenwinkel schaute er zu Parker hinüber, und der Mann sah ihn stirnrunzelnd an und dachte offenbar scharf nach.
O mein Gott, also doch! Er hat’s gesehen! Ach, Mist, jeder hat einen Grund, den armen Greg Hanzen zur Sau zu machen, und ich wollte ohnehin von Anfang an nichts davon wissen. Wieder mal der letzte, den die Hunde beißen. Warum bin ich bloß nicht auf und davon, als es noch möglich war?
Wer immer, falls überhaupt jemand, diese Nacht überlebt, sagte sich Hanzen – ich werde es nicht sein.
NEUN
Viertel nach eins. Noelle hätte noch eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten mit ihrer Ohnmacht warten können, aber sie war bereit, es jetzt zu tun. Sie hatte wirklich ein ausgesprochen flaues Gefühl, und das nicht etwa, weil sie auf einem Schiff war; die Bewegung der Spirit of the Hudson bei ihrer Fahrt flussaufwärts war kaum wahrzunehmen.
Nein, und es war auch nicht das Geld unter ihr, weswegen ihr so flau war. Sie verstand das, fand den Gedanken plausibel und hatte kein Problem damit. Sie war schon öfter im Leben das Mädchen gewesen, das die Leute ablenken musste, hatte das gefährliche Zeug entweder selbst getragen oder sich vor den gestellt, der es trug, dabei allerdings noch nie die Behinderte gespielt. Doch das hier war eine gute Idee; sie war auf dem Schiff bekannt wie ein bunter Hund. Die Räuber hatten das Schiff durch die Tür in der Bordwand verlassen, und warum sollten sie das Geld nicht mitgenommen haben?
Der Grund, warum sie das Geld nicht mitgenommen hatten, war natürlich, dass sie noch mindestens eine halbe Stunde mit dem kleinen Boot auf dem Fluss unterwegs sein würden, bevor sie in der Ferienhütte in Sicherheit wären. Niemand wusste, wie bald Alarm geschlagen werden würde, doch wenn es soweit war, würden sofort Polizeiboote aufkreuzen. Die vier Fischer in der Nacht würden ihnen vielleicht verdächtig vorkommen, aber auf dem Boot würden sie keine Waffen, keine Anzüge und vor allem kein Geld finden.
Würde die Polizei irgendeinen Grund zu der Annahme haben, das Geld sei noch auf dem Schiff? Nein, keinen. Warum sollten sie glauben, dass drei Männer sich ein so kompliziertes Betrugsmanöver, einen so dreisten Raubüberfall zumuteten und dann die Beute nicht mitnahmen?
Noelle hatte also keine Angst, auf mehreren hunderttausend Dollar sitzend geschnappt zu werden. Ihr Zittern und das flaue Gefühl in der Magengegend hatten eine viel simplere Ursache: Sie war dehydriert. Jeden Abend über sechs Stunden in diesem verdammten Rollstuhl sitzen zu müssen – oder, genauer gesagt, in dem anderen, bis heute abend –, ohne die Möglichkeit, ihn zu verlassen, aus welchem Grund auch immer, bedeutete, dass sie in den letzten acht Tagen so wenig Flüssigkeit wie möglich zu sich genommen hatte.
Sechs Stunden ohne Toilette sind kein Kinderspiel, wenn man normal trinkt, deshalb hatte Noelle sich mit dem Trinken sehr zurückgehalten, obwohl sie wusste, dass das ein bisschen riskant war, und im Lauf dieses Abends
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