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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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rasch handeln, keine Sorge, aber soweit wird es nicht kommen. Klar, bleiben Sie hier, ich bin froh, ein bisschen Gesellschaft zu haben. Jane Ann? Kann ich Ihnen irgendwas besorgen?«
    »Nein, nein«, sagte sie und hielt sich die zitternde Hand vor den Mund.
    Jerry sah aus, als wüsste er nicht, über welches seiner Probleme er sich am meisten aufregen sollte.
     
    Ein Uhr dreiunddreißig auf der großen Uhr, und das Telefon läutete. Dieselbe Assistentin hob ab, dann sagte sie zu Jerry: »Doug.«
    »Danke. Hier Jerry. Ja? Was? Ach du Scheiße , ich … ich … ich meine, verdammter Mist ! Um Himmels willen! Was sollen wir – Ja, okay, ich komm auch rauf, weiß der Geier, was wir jetzt – mannomann. Ich komm rauf.«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel und sah Noelle gequält an. »Ich bitte sehr um Entschuldigung, Jane Ann, es tut mir sehr leid, ist gar nicht meine Art, solche Ausdrücke zu – ich war nur einfach – ich bin sprachlos.«
    »Jerry«, sagte Mike, »was ist los?«
    »Ich muss zum Kapitän.« Jerry war am Boden zerstört.
    »Jerry, lass uns hier nicht so stehen«, sagte Mike. »Was ist denn los?«
    Jerry schaute in beide Richtungen, dann beugte er sich über die Theke und sagte in heiserem Bühnengeflüster: »Wir sind ausgeraubt worden!«
    »Was?« Mike war genauso fassungslos wie Jerry. »Sie machen Witze, hier kann doch niemand –« Dann sagte er mit einer Bewegung, als wollte er sich zwischen Noelle und eine herannahende Kugel werfen: »Die sind auf dem Schiff? Ihr habt Räuber auf –«
    »Nein, nein, die – ich weiß nicht, aber anscheinend sind sie durch die Tür in der Bordwand reingekommen, da ist eine eigene Tür, ich weiß nicht, ob Ihnen die mal aufgefallen ist, der Panzerwagen, an der Anlegestelle –«
    »Nein«, sagte Mike. »Die sind durch eine Tür in der Bordwand gekommen? An der Schiffsseite, meinen Sie?«
    »Und auf demselben Weg wieder verschwunden, nehme ich an«, sagte Jerry. »Mit dem Geld.«
    Noelle sagte: »Jerry?«
    Er beugte sich zu ihr hinab, sah sie mitfühlend an und sagte: »Keine Sorge, Jane Ann, wir kriegen Sie trotzdem von Bord, sobald wir angelegt haben.«
    »Danke, Jerry«, sagte sie, »aber ich wollte was anderes sagen. Jerry, ist Ihnen klar, was das ist? Das ist Piraterie!«
    Jerry prallte zurück und überlegte. »Menschenskind, Sie haben recht«, sagte er.
    »Halten Sie Ausschau nach einem Mann mit einer Augenklappe«, sagte Noelle. Und obwohl sie sich so mies fühlte, lächelte sie.
     
    Um dreiviertel zwei kam die Ansage über den Lautsprecher. Der Tresorraum sei von bewaffneten Gangstern ausgeraubt worden, die in einem kleinen Boot entkommen seien. Von der Bank sei frisches Geld zum Schiff unterwegs, und Gäste, die noch Chips einzuwechseln hätten, könnten dies beim Verlassen des Schiffs tun. Es werde zwei Gangways geben, so dass alle, die keine Chips einwechseln wollten, nicht in der Schlange zu stehen brauchten. Alle Passagiere müssten Namen und Adresse angeben und sich vor der Polizei ausweisen, wenn sie von Bord gingen, würden aber darüber hinaus nicht aufgehalten werden. Das Schiff, die Besatzung und die Eigner entschuldigten sich für die Unannehmlichkeiten.
    Das Schiff brodelte förmlich vor Aufregung und Gerüchten, aber Mike und Noelle hielten sich abseits. Mike bat um die Erlaubnis, bis zum Anlegen im Büro des Zahlmeisters zu bleiben, um Jane Ann schützen zu können, und der untröstliche Jerry willigte ein, aber sie erfuhren nicht mehr, wie es weiterging. Die Handlung hatte sich offenbar ins Securitybüro verlagert.
    Als sie endlich in Albany anlegten, hielt Jerry getreulich Wort. Er begleitete sie persönlich zu der Lounge in der Nähedes Ausgangs, sprach mit den ersten Polizeibeamten, die an Bord kamen, und die beiden konnten unbehelligt das Schiff verlassen.
    Mike zeigte seinen gefälschten Chauffeursausweis her, nannte Jane Ann Livingstones ebenso gefälschte Adresse in einem Herrenhaus am Hudson, und drei Minuten nachdem das Schiff am Kai festgemacht hatte, schob er die völlig erledigte Noelle die Gangway hinunter und durch das Abfertigungsgebäude auf den Parkplatz hinaus, wo er zum letztenmal die komplizierte Apparatur betätigte, die ihren Rollstuhl in den Wagen hievte. Dann setzte er sich ans Steuer, und sie fuhren los.
    Die zweite Ampel stand auf Rot, und während er wartete, schaute er Noelle im Innenspiegel an und fragte: »Wie geht’s dir?«
    »Frag mich das nach dem dritten Bier.«

 
    ZEHN
     
    Ray Becker wachte auf.

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