Sein
vollkommen geizig. Beides wäre ein Hinderungsgrund, sich näher mit ihm zu beschäftigen.
In Ergänzung dieses ersten Eindrucks stellte Myriam bei weiterer nüchterner Betrachtung fest, dass der Kerl sowieso ganz und gar nicht ihr Typ war. Die Oberarme zu muskulös, der Blick zu arrogant, der Gesamteindruck zu wild. Seine langen Locken hingen ihm wirr zerzaust ins Gesicht. Der Schnurrbart war zwar sorgfältig auf eine schmale Linie gestutzt, aber Myriam stand prinzipiell nicht auf Bartträger, egal welcher Ausführung. Und von diesem durchdringenden Blick würde sie sich auf keinen Fall beeindrucken lassen. Hielt er sich etwa für was Besonderes?
Was Myriam aber vollends abtörnte, waren die schwarzen Tattoos, die sich von den T-Shirt-Ärmeln über beide Unterarme bis zu den Handgelenken erstreckten. Sie gab sich keine Mühe zu erkennen, was darauf dargestellt war. Für sie als Kosmetikerin waren die eingebrachten Farbpigmente das Schlimmste, was man der Haut antun konnte. Ein Akt sinnloser Zerstörung, denn makellose, pure Haut war für sie ein kostbares Gut. Viele ihrer Kundinnen hatten dieses Glück nicht, sondern benötigten ihre kosmetische Beratung und Hilfe, um Hautunreinheiten oder sogar Narben gekonnt zu vertuschen.
»Hallo Ruben, wie geht’s?«, fragte sie daher aus reiner Höflichkeit. Ihr Tonfall war schnippischer, als sie beabsichtigte. Abneigung konnte sie nur selten verbergen.
Ihr Gegenüber beugte sich ein wenig zu ihr herunter und nahm ihre Hand zur Begrüßung. Ehe sie begriff, hauchte er ihr links und rechts einen Begrüßungskuss auf die Wangen und sagte mit tiefer, sonorer Stimme: »Es wird mir ein Vergnügen sein, dich näher kennenzulernen. Wie war doch gleich dein Name? Myriam?« In seinen Mundwinkeln zeigten sich kleine Grübchen, als er zurückwich.
Ein eisiger Schauer raste ihren Rücken herunter. Verdammt, sie war doch sonst nicht so leicht aus der Fassung zu bringen! Bestimmt lag das nur daran, dass ihr Körper noch mit der unbefriedigten Erregung kämpfte. Obwohl er diesmal nicht flüsterte, erkannte sie seine Stimme sofort. Ruben war jener Fremde, der sie noch vor wenigen Minuten so ungeniert begrapscht hatte.
Unter seinem amüsierten Blick stieg ihr die Hitze ins Gesicht.
»Ganz meinerseits«, stieß sie mit unterdrückter Wut hervor. Am liebsten hätte sie ihn beschimpft, was für ein unverschämter Kerl er sei, und dass er sie in Ruhe lassen und sich zum Teufel scheren solle. Aber es lag nicht in ihrem Interesse, Nadine oder die anderen darauf aufmerksam zu machen, was vor kurzem ein Stockwerk höher geschehen war. »Und, bist du auch einer von diesen Doms?«
Ganz bewusst legte sie eine verächtliche Betonung auf das Wort
Dom
. Es war zwar nicht so, dass sie prinzipiell ein Vorurteil gegen diese Männer und Frauen hegte. Was sich zwischen Leo und Sophie abgespielt hatte, war immerhin ziemlich prickelnd gewesen. Aber dieser Typ hatte sie einfach wie ein Lustobjekt behandelt und darüberhinaus auch noch bedroht.
Ach, und überhaupt
.
»Natürlich bin ich auch ein Dom, meine Liebe. Sonst wäre ich ja heute Abend nicht hier, auf dieser Party«, erwiderte er souverän. Es war ihm nicht anzumerken, was er von ihrer Provokation hielt.
»Aha.« Myriam schaute gelangweilt um sich. »Und, wo ist deine Sub? Willst du sie mir nicht vorstellen?«
Statt zu antworten lächelte er nur, als hätte sie etwas Dummes gefragt.
»Ruben ist zur Zeit solo«, erklärte Nadine eifrig, nervös zwischen den beiden hin- und herschauend. Die angespannte Stimmung schien sie zu beunruhigen. Wenn Nadine wüsste, was sich oben abgespielt hatte …
»So ist es. Aber ich mache mir da keine Sorgen. Die Richtige wird mir schon noch begegnen.«
»Hm, und – wie soll sie aussehen, deine Favoritin?«
Verdammt, warum frage ich das? Ist mir doch egal, was für einen Typ Frau er bevorzugt!
»Oh, da bin ich ganz flexibel«, erwiderte er grinsend. »Ich finde, man sollte offen sein für alles und sich nicht zu sehr festlegen. Und du, Myriam? Bist du auch alleine da?«
»Ja, Myriams Freund ist gerade auf längerer Auslandsreise«, erwiderte Nadine, ehe Myriam dazu kam selbst zu antworten.
»So so, also auf Auslandsreise«, wiederholte Ruben und warf erst Nadine, dann Myriam einen Blick zu, der alles Mögliche bedeuten konnte.
»Ähm, ja, ich lass euch beide mal allein. Ich muss mal – äh – nach Laurin schaun. Bis später.« Mehr oder weniger fluchtartig eilte Nadine davon.
Myriam hielt dem unverschämt
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