Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein

Sein

Titel: Sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Gruenberg
Vom Netzwerk:
Samt.
    Schwungvoll drückte Myriam die Tür auf. Das tiefe Brummen eines Harley-Motors erklang anstelle einer Türglocke und kündete ihr Eintreten an.
    Rechts vom Eingang befand sich eine kleine Sitzgruppe aus braunem Leder, das ein wenig abgeschossen war. Auf der Glasplatte des Beistelltisches lag ein aufgeschlagener Ringordner, in welchem Fotos mit Tattoobeispielen abgeheftet waren. Die Sitzgelegenheit wurde zum Raum von einer Regalwand abgetrennt, in der sich nur eine Handvoll Bücher befanden. Dahinter führten ein paar Stufen eine Empore hinauf.
    Auf der linken Seite vom Eingang standen mehrere Vitrinen, in denen Ohrringe, Halsbänder und Piercingschmuck präsentiert wurden. Daran anschließend folgte ein Thresen mit der Kasse. Am Ende des Ladens vervollkommnete ein Graffiti im Stil einer Tätowierung die Dekoration und kaschierte die beiden Türen, deren Türschilder
Privat
und
WC
erst auf den zweiten Blick zu erkennen waren.
    Ein Mann von der Gestalt eines Wikingers, muskulös und jeder Zentimeter der sichtbaren Haut bunt tätowiert, dazu aschblonde, zu einem Zopf geflochtene Haare und Vollbart, die Pratzen auf dem Thresen abgestützt, schaute Myriam aus seinen stechend blauen Augen interessiert an.
    »Servus. Wos konn i für di doa? Wuist a Nasnpiercing?«
    Myriam verstand kein Wort. »Hallo.« Sie schluckte. Allein aufgrund seiner Größe wirkte der Mann furchteinflößend. Sein schwarzes T-Shirt spannte über den breiten Schultern und den starken Oberarmen.
Wicky und die wilden Männer
.
    Nervös strich Myriam sich durch die Haare, die sie mit Gel zu einer wilden Mähne verstrubbelt hatte. Irgendetwas an ihr sollte nicht ordentlich und gestylt wirken, hatte sie beim Blick in den Spiegel beschlossen. Zudem passte dieser Look hervorragend zum gewählten Makeup. Viel Maskara, ein breiter Lidstrich und ein besonders dunkler Lidschatten. Eigentlich wirkte sie nicht aufgehübscht, sondern düster. Heute sollte einmal alles ganz anders sein als sonst. Eine auch äußerlich vollkommen andere Myriam, passend zum Beschreiten eines neuen Pfades.
    »Ich wollte eigentlich zu Ruben.« Ihr Herz wummerte jetzt wie verrückt. Hoffentlich hatte sie sich nicht zu viel vorgenommen. Und was würde sie machen, wenn er überhaupt nicht da war?
    »Ruben? Der sticht grad a Tattoo«, erwiderte der lebende Kleiderschrank jetzt halbwegs verständlich. »Wenn du warten willst?« Seine Stimme war freundlicher als seine Miene und sanfter als seine Gesamtausstrahlung.
    Ein wenig wie ein großer Kuschelbär
. »Ich warte auf Ruben. Ich setz mich da vorne hin.«
    »Kloar. Schaugst dia was Schenes aus. Wennst a Frage host, sogst ma bescheid.«
    Es lag ihr auf der Zunge zu sagen,
Ich bin nicht wegen eines Tattoos hier
, stattdessen nickte sie erneut. Vorsichtig ließ sie sich auf der Kante des Ledersofas nieder, darauf bedacht, dass ihr Mini nicht hinauf rutschte, und blätterte in dem Ordner. Noch nie hatte sie in Erwägung gezogen, sich eine Tätowierung stechen zu lassen. Immerhin war dies ein endgültiger Schritt, nur schwer rückgängig zu machen. Außerdem hatte sie viel zu viel Angst vor Nadeln, weshalb sie auch kein Piercing hatte, nur Ohrringe. Mal abgesehen davon, dass ihre Haut ihr heilig war.
    Dennoch, viele der abgebildeten Tattoos fand sie sehr schön. Wahre Meisterwerke, bildhaft, fast plastisch. Abgesehen von Totenköpfen und anderen morbiden Motiven gab es Blumenranken, Elfen, Porträts, aber auch Ornamente und aufwändig ausgearbeitete Schriftzüge. Als letztes folgten Erklärungen und ein paar Großaufnahmen vom Tätowieren.
    Autsch
. Myriam schüttelte den Kopf.
Nein, das könnte ich nicht
.
    »Ciao, bis zum nächsten Mal«, verabschiedete sich Ruben von der Kundin, die bei dem Wikinger einen neuen Termin zur Fertigstellung vereinbarte.
    »Da vorn sitzt oane, die wui zu dir.«
    Ganz in Schwarz, mit Lederhose, bedrucktem T-Shirt und Lederweste mit Fransen bekleidet, fast wie bei ihrer ersten Begegnung, stand Ruben mit einem Mal vor ihr. Seine schwarzen schwungvollen Ornamente erschienen fast auf ihrer Augenhöhe.
Irgendwie passen sie zum ihm
.
    »Hey, das ist aber eine Überraschung.«
    Mit einem Male fand Myriam ihre Idee nicht mehr so gut. Warum nur war sie manchmal so eigensinnig, und bildete sich ein, sie könne mit Links dasselbe machen wie andere? Nun, ihr Ego würde einen Rückzug nicht zulassen, selbst auf die Gefahr hin, dass er sie abwies oder sogar auslachte.
    Sichtlich erfreut streckte Ruben ihr seine Hand

Weitere Kostenlose Bücher