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Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
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Affäre hatte, wünschte er, die Zeit zurückdrehen zu können. Hätte er sie nur zur Rede gestellt! Wäre er nur weniger nachsichtig gegen sie gewesen! Er würde Kabus erledigen - kein dahergelaufener Weiberheld würde ihm die Frau wegnehmen! Aufgebracht rannte er vors Haus und fragte Paulsen, ob er eine Ahnung habe, wohin seine Frau gegangen sei. Doch der Kutscher konnte nur die Vermutung äußern, sie könne zum Droschkenplatz unterwegs gewesen sein. Er verkniff sich seine sonst üblichen spöttelnden Bemerkungen, da er sah, wie angespannt Benthin wirkte. Ja, er machte geradezu den Eindruck, gleich vor Wut zu explodieren. Eilig lief er zum Droschkenplatz und begann, die wartenden Kutscher zu befragen, ob sie eine junge Frau mit Schirm in einem hellblauen Kleid gesehen hätten, die sich alleine eine Kutsche genommen habe. Nachdem er mehrere Fahrer vergeblich gefragt hatte, wollte er schon fast aufgaben. Schließlich konnte sich doch noch einer an sie erinnern:
    „Ja, die war hier. Hat mich gefragt, ob ich sie zum alten Tabakschuppen bringen und dort auf sie warten könnte. Aber ich wollte die Fahrt nach außerhalb nicht übernehmen, weil sie nicht mal wusste, wie lange alles dauern würde. Ich hab‘ heute auch noch was anderes vor, als auf irgendeinem Acker am Stadtrand rumzustehen, während mir hier zig Kunden durch die Lappen gehen! Bei meinem Kollegen hatte sie dann wohl mehr Glück - der ist noch neu und hat keinen Schimmer, wann sich ein Fahrt lohnt und wann nicht! He…!“ Er blickte dem Mann, der ohne ein weiteres Wort davonstürzte, irritiert nach. Kopfschüttelnd sprach er zu sich selbst: „Komischer Kerl - nicht mal ein Wort des Danks. Und richtig angezogen ist er auch nicht… tss.“ Als langjähriger Kutscher hatte er einen Blick für Kunden. Bei diesem handelte es sich eindeutig um einen feinen Herren, aber dennoch trug er in der Öffentlichkeit nicht - wie es sich in diesen Kreisen gehörte - einen vollständigen Anzug und eine Krawatte. Stattdessen lief er hemdsärmelig mit offenem Kragen und Weste herum. Und unhöflich war er noch obendrein, aber das kannte man ja von diesen feinen Pinkeln! Nicht mal ein Trinkgeld war 'rausgesprungen!  
    Benthin lief zurück zu seinem Haus, sprang in die Kutsche und forderte Paulsen auf, stadtauswärts zu fahren, zu einem alten Tabakschuppen, falls ihm dieses Ziel etwas sage. Paulsen kannte den Schuppen und fragte sich, was sein Chef dort wollte, verkniff sich die Frage aber angesichts dessen gereizter Verfassung.
     
    „Endlich! Wie schön, dass Sie hergekommen sind. Wie sehr ich Sie vermisst habe! Lassen Sie sich ansehen - Sie sehen fabelhaft aus! Dieses Blau steht Ihnen fantastisch! Wie geht es Ihnen?“ Kabus hatte ihre beiden Hände genommen und strahlte sie an. Elli hatte beinahe vergessen, wie attraktiv und einnehmend er war. Sein Überschwang und sein gutes Aussehen verschlugen ihr für einen Moment die Sprache. Zufrieden nahm er ihre Reaktion wahr - er kannte die Anzeichen genau, wenn er eine Frau so weit hatte, dass sie ihm aus der Hand fraß. Seine geschriebenen Zeilen hatten ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Hätte er geahnt, wie empfänglich sie für leidenschaftliche Worte in Briefen war, hätte er sie schon früher damit überhäuft. Aber das hätte vermutlich nur ihren misstrauischen Spießer von Ehemann auf den Plan gerufen. 
    „Was ist? Haben Sie im Seebad das Sprechen verlernt? Dann lassen Sie sich von mir umarmen, meine wundervolle kleine Freundin, meine Schwäche, meine Leidenschaft…“ Gekonnt zog er sie an sich, umfasste ihre Taille und hauchte ihr einen Kuss auf jede Wange. Dann trat er einen halben Schritt zurück und nahm wieder ihre Hände in seine. Er durfte nicht gleich zu aufdringlich werden.
    „Was für ein merkwürdiger Treffpunkt…“
    „Mehr fällt Ihnen nicht ein?“ Er lachte. „Sind Sie sicher, dass Ihnen das Meeresklima wirklich gut bekommen ist?“
    „Doch, gewiss…“ Elli war überfordert von der Situation. Sie hatte sich das Wiedersehen mit ihm vor ihrem geistigen Auge ausgemalt, aber die Vorstellung war eben doch nur ein schwacher Abklatsch der Realität. Seine alles überlagernde Präsenz erdrückte sie. Der gewählte Treffpunkt verlieh ihrer Begegnung eine ganz besondere Atmosphäre. Das Licht, das durch die Holzlamellen des Tabaklagers in sonnig-staubigen Streifen hereinfiel, erzeugte eine gedämpfte Form von Helligkeit, die jedoch nicht schummerig oder anrüchig wirkte. Auf einem Tisch, der

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