Seine einzige Versuchung
wahrscheinlich zur Hauptsaison des Tabakhandels als Verkaufstisch diente, hatte Kabus zwei Gläser und Champagner in einem Eiskübel bereitgestellt, dazu einige köstlich aussehende Petits Fours. Elli unternahm einen weiteren Versuch, etwas halbwegs Sinnvolles zu sagen, das sie nicht länger wie ein eingeschüchtertes Mäuschen dastehen ließ:
„Aber für eine dienstliche Besprechung ist der Ort schon etwas seltsam gewählt…“ Der Korken knallte. Kabus schenkte sich und Elli ein. Er überreichte ihr das Glas. Dabei berührte er wie zufällig ihre Hand und kam ihr mit seinem Gesicht sehr nahe:
„So überaus dienstlich wollte ich unser Treffen eigentlich gar nicht gestalten…“ Er streifte ihr Ohr mit seinen Lippen, während er die Worte sprach. Elli fühlte sich unmittelbar an Benthin erinnert und die Empfindungen, die er mit einer ganz ähnlichen Geste bei ihr ausgelöst hatte. Kabus sprach leise weiter, immer noch ganz dicht an ihrem Ohr:
„Ich finde, wir sollten erst einmal auf unser Wiedersehen anstoßen, teuerste Freundin.“ Er prostete ihr mit dem Glas andeutungsweise zu und nahm einen großen Schluck. Elli nippte nur vorsichtig an ihrem Champagner - sie wollte unbedingt nüchtern bleiben. Die Situation war erregend, zweifelsohne, und doch fühlte sie sich nicht recht wohl in ihrer Haut. Es schien, als habe sie Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. Kabus war zu erfahren, um Ellis Unbehagen nicht zu bemerken. Zur Ablenkung verwickelte er sie in ein Gespräch über die vergangenen Wochen, bedauerte ihre Erkrankung und brachte zum Ausdruck, wie froh er über ihre Genesung sei.
„Elli, ich habe Sie wirklich sehr vermisst - das glauben Sie mir doch?“ Sie errötete. „Aber ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass Ihr Kuraufenthalt Sie noch schöner gemacht hat, als Sie es vorher schon waren.“
„Sie übertreiben maßlos, Herr Kabus.“
„Aber nicht doch! Es ist die reine Wahrheit, und nun hören Sie doch endlich mal mit diesem Herr Kabus auf - für Sie bin ich Richard!“
„Sie geben wohl niemals auf, Herr… Richard.“
„Das ist doch schon mal eine Übergangslösung, Frau Elli!“ Er lachte lauthals und riss sie mit. Inzwischen tat auch der wenige Champagner, den sie getrunken hatte, seine Wirkung. In Verbindung mit dem süßen Gebäck ging er rasch ins Blut. Er stand nun lässig an den Tisch gelehnt und hatte für Elli einen etwas klapprig wirkenden Holzstuhl herangerückt, damit sie sich setzen konnte. Unbewusst bewegte sie ihre Schultern, um sich ein wenig zu lockern.
„Dieses Klappergestell von einem Stuhl wirkt nicht gerade bequem. Sie sehen ganz verspannt aus. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre Schultern massiere?“ Elli ahnte, dass er die Gelegenheit nutzen würde, um ihr wieder näher zu kommen. Und seltsamerweise war es genau das, worauf sie insgeheim seit seinen ersten erregenden Berührungen wartete. Er hatte ihre Sinne angeregt, sich dann zurückgezogen und damit ihre Sehnsucht nach mehr geweckt. Eine harmlose kleine Schultermassage - was war schon dabei? Kabus hatte ihre Antwort gar nicht erst abgewartet, sondern war schon hinter den Stuhl getreten und begann sein Werk. Sein selbstgefälliges Lächeln konnte sie nicht sehen, da er hinter ihr stand. Dutzende Male hatte er mit dieser Masche - anders ließ es sich nicht bezeichnen - den letzten Widerstand einer ohnehin schon bereitwilligen Frau gebrochen. Wie sehr sie sich doch glichen, diese wunderbaren weiblichen Geschöpfe, und doch waren sie zu verschieden, um nicht möglichst viele ihrer zahlreichen kleinen Facetten genauer kennenzulernen…
Seine Hände waren sanft, aber bestimmt und verstanden ihr Handwerk. Elli musste an die verhassten Anwendungen im Seebad denken. Wären sie auf diese Art erfolgt, hätte sie sich vermutlich nicht so vehement dagegen gesträubt. Der Gedanke daran entlockte ihr ein kleines Lachen.
„Was?“ Kabus hielt inne. Er beugte sich vor zu ihrem rechten Ohr und blies spielerisch hinein. „Bin ich so lächerlich schlecht?“
„Nein, ich musste nur gerade an die unsäglichen Massagen im Sanatorium denken. Da waren grobschlächtige Sklaventreiber am Werk, und ich habe versucht, mich davor zu drücken. Diese Behandlung hingegen…“
„Diese Behandlung hingegen…?“ Er küsste die Worte in ihr Ohr und fuhr mit den Lippen weiter ihren Hals entlang zum Nacken. Er hatte die Grenze überschritten. Elli wusste es. Hatte sie nicht sich selbst gegenüber behauptet, sie
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