Seine einzige Versuchung
nach. Anstatt wie sonst im Büro zu verschwinden, begleitete er sie nach oben und machte Anstalten, sie zärtlich zu umarmen. Er öffnete hinter ihr die Tür zu ihrem Schlafzimmer und wollte sie langsam rückwärts hineinschieben. Elli blickte sich um. Im Halbdunkel nahm sie kleine dunkle Flecken auf ihrer weißen Bettdecke wahr. Das Zimmer war wärmer als sonst - zum Schlafen fast ein wenig zu warm. Sie würde die Fenster offenlassen müssen, um schlafen zu können. Was waren das bloß für merkwürdige Punkte auf ihrem Bett? Im Halbdunkel konnte sie es nicht erkennen. Nur im Flur wurden bei einsetzender Dunkelheit Lampen angezündet, die bis zum nächsten Tag hell blieben, während es in den einzelnen Zimmern Kerzenleuchter oder Petroleumlampen gab, die bei Bedarf verwendet wurden.
„Es ist so dunkel hier drin.“
„Warte, ich hole schnell eine Kerze.“ Er ging ins Wohnzimmer. Elli war erleichtert, ihn nicht mehr in ihrer Nähe zu haben. Wie sehr hatte sie sich die ganze Zeit danach gesehnt, doch nach ihrer heutigen Entdeckung wünschte sie sich nichts sehnlicher, als endlich alleine zu sein. Er kam mit der brennenden Kerze zurück und schien von ihr zu erwarten, dass sie ihn in ihr Schlafzimmer ließe. Doch sie stand noch immer im Türrahmen und streckte ihre Hand unmissverständlich nach dem Kerzenhalter aus:
„Danke. Ich bin müde. Die lange Zugfahrt steckt mir noch in den Knochen. Gute Nacht.“ Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber er würde sie nicht bedrängen und fuhr nur kurz mit den Fingerspitzen sanft über ihre Wange:
„Morgen ist auch noch ein Tag. Schlaf‘ gut, Elli.“ Sie schloss ihre Tür, doch dann überkam sie plötzlich ein unausweichlicher Drang, ihm zu zeigen, dass sie ihn durchschaut hatte. Wie von fremder Hand gesteuert, öffnete sie die Tür erneut. Benthin war gerade auf dem Weg zur Treppe. Er drehte sich mit neu aufkeimender Hoffnung lächelnd zu ihr um und ging einige Schritte in ihre Richtung:
„Ja?“ Ihre Stimme war sehr ernst und leise, auf unheimliche Art befremdlich:
„Wie weit bist Du eigentlich für Deinen politischen Aufstieg bereit zu gehen?“ Er sah sie fragend an. Statt seine Antwort abzuwarten, gab Elli sie selbst. Sie klang unheilschwanger, beinahe feindselig: „Ich hatte nicht ernsthaft mit einer Antwort von Dir auf diese Frage gerechnet.“ Sie schloss die Tür wieder und ließ ihn ratlos im Flur stehen. Als sie sich in ihrem Zimmer umsah, erkannte sie, was sie zuvor nur als Umrisse auf ihrem Bett wahrgenommen hatte: es waren Rosenblätter, auch neben dem Bett und auf der Kommode standen Vasen mit Rosen und einige Kerzen. Der Ofen gab eine behagliche Wärme ab.
Benthin rätselte die halbe Nacht, was Elli mit ihrer Äußerung gemeint haben könnte. Am allermeisten beunruhigte ihn jedoch ihre ungewöhnlich ruhige, Unheil verkündende Stimme - so hatte er sie noch nie erlebt. Ausgerechnet jetzt, da er begonnen hatte, etwas gegen seine überbordende Arbeitsbelastung zu tun, um sie nicht mehr so wie bisher zu vernachlässigen. Er wollte ihre Nähe, und sie hatte durchaus den Eindruck vermittelt, ihn mitunter ebenfalls zu vermissen. Es war der reine Wahnsinn gewesen, was er sich und auch ihr zuletzt zugemutet hatte. Er hatte es zwar geschafft, seine leidenschaftlichen Gefühle für sie durch ein Übermaß an Arbeit im Zaum zu halten, aber um welchen Preis? Sie hatte erst krank werden müssen, bis er restlos begriff, dass Ehrenhaftigkeit nicht über alles ging. Es war ein wahrhaftes Ding der Unmöglichkeit, was er sich abverlangt hatte, und damit sollte nun endlich Schluss sein! Und auch ihr hatte er wohl einiges abverlangt, versuchte er, sich ihr befremdliches Verhalten zu erklären. Sie war von Natur aus zu unnachgiebig, um im Handumdrehen und ohne mit der Wimper zu zucken über seine Versäumnisse hinwegzusehen. Das musste er anerkennen - das liebte er an ihr. Er würde ihr die Zeit geben, die sie brauchte, um zu verstehen, dass seine Bemühungen nicht halbherzig waren und sich nicht nur übergangsweise etwas geändert hatte. In seiner sehnsuchtsvollen Erwartung war er wohl etwas vorschnell gewesen. Auf ein paar Tage mehr oder weniger kam es nun auch nicht mehr an, da ihn sein körperliches Verlangen nach ihr schon so lange quälte…
Kapitel 21
Am Vormittag des nächsten Tages traf eine Eilnachricht für Elli ein. Benthin hatte sie vom Boten entgegen genommen und nach oben ins Wohnzimmer gebracht, wo Elli gerade ein Buch las. Ihm
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