Seine einzige Versuchung
Verfluchter Dreckskerl! Ich habe Dich gewarnt, und Du hast Dich trotzdem weiter an sie 'rangemacht!“ Benthin war blitzschnell und mit der Anmut eines wilden Tieres durch den Schuppen gehuscht. Mit aller Macht hatte er sich hinterrücks auf Kabus gestürzt.
„Sie hatte sicher gute Gründe, sich auf mich einzulassen!“ Seine Stimme war nur noch erstickt zu hören, da er unter Benthin begraben lag, was ihn aber nicht daran hinderte, den Kontrahenten zu provozieren. Benthin hielt ihm den Mund zu und zischte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor:
„Halt Dein verdammtes Schandmaul, Kabus, oder ich vergesse mich!“ Kabus gelang es, seinen Mund von der Hand zu befreien und Benthins Arm wegzudrücken. Trotz seiner unterlegenen Position fand er höchsten Gefallen an weiteren Provokationen:
„Du wirst den Tatsachen wohl oder übel ins Auge sehen müssen, mein Freund! Frauen gehen nicht ohne Grund fremd!“ Benthin schlug zu - hart und vollstreckend. Er war außer sich. Kabus fasste sich ans Kinn, das schmerzhaft getroffen war. Er hatte immer noch nicht genug. Keuchend reizte er Benthin bis aufs Blut:
„Harter Schlag, Benthin, alle Achtung! Dein stürmischer Körpereinsatz in allen Ehren, aber der kommt wohl ein bisschen zu spät! Du bist bereits ein gehörnter Ehemann!“ Der nun folgende Schlag traf mit voller Wucht seine Nase. Ein hässlich knackendes Geräusch war zu hören. Blut strömte aus Kabus‘ Nasenlöchern. Er stöhnte auf:
„Verflucht! Die blaublütige Ratte hat mir die Nase gebrochen! Elender Bastard!“
Benthin machte Anstalten, weiter auf ihn einzuschlagen, aber Elli berührte seine Schulter und bat ihn leise:
„Bitte hör‘ auf. Es ist alles meine Schuld.“ Er ließ von Kabus ab, der sich ächzend zu Seite rollte und seine Hände schützend vor seine blutende Nase hielt. Benthin erhob sich und sah voller Verachtung auf ihn herab. Dann wandte er sich Elli zu. Seine Stimme war eiskalt:
„Willst Du Dich um Deinen… Liebhaber kümmern, oder kommst Du mit mir?“ Er sprach das Wort, das ihm kaum über die Lippen wollte, voller Abscheu und ging, ohne zu zögern, in Richtung des Tores. Elli begriff, dass er ihr mit dieser Frage eine Entscheidung abverlangte. Eines war sicher: sie gehörte nicht hierher. Kabus hatte es regelrecht darauf angelegt, von Benthin verprügelt zu werden. Es schien fast, als hätten ihm seine nicht endenden Provokationen geradezu Vergnügen bereitet. Um Elli ging es ihm jedenfalls nicht - das war offensichtlich. Seine Reaktion auf die Entdeckung durch Benthin glich eher einem freudig erwarteten Kampf als der eigentlich zu erwartenden Scham - keine Erklärungsversuche oder Unschuldsbeteuerungen kamen über seine Lippen. Nein, sie gehörte nicht hierher. Kabus würde auch ohne ihre Hilfe mit seiner Verletzung klarkommen. Er war nur äußerlich verletzt. Benthin nicht - er litt tatsächlich. Sie hatte es in seinen Augen gesehen. Welche niederen Motive ihn auch immer getrieben haben mochten, sie zu heiraten, er war nicht nur in seiner Ehre gekränkt, sondern wirkte ernsthaft getroffen und zutiefst verletzt. Sie konnte keine Entscheidung auf längere Sicht fällen, dafür stand zu viel zwischen ihnen, aber für diesen Moment war klar: sie würde mit ihm gehen.
Benthin zahlte dem Kutscher, der auf Elli gewartet hatte, eine anständige Summe. Er sollte nicht auch noch unter den Umständen leiden, für die er nichts konnte. Mit einem Anflug von Linderung seines Schmerzes sah er, dass Elli nicht im Tabakschuppen geblieben war, sondern zu Paulsen in die Kutsche stieg. Er war nicht in der Lage, mit ihr zu sprechen. Das Bild ihrer Leidenschaft in den Armen des anderen, der sich - allem Anschein nach nicht zum ersten Mal - zwischen ihren Beinen vergnügte, hatte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt. Im ersten Moment hatte er nur die vollständige Leere der Entmutigung gefühlt, als er die beiden sah. Diese verwandelte sich schnell in Wut und Schmerz... und - zu seiner größten Irritation - Verlangen. Es war ihm unbegreiflich, wie er neben seinen nachvollziehbaren Gefühlen für einen Augenblick auch Lust beim Anblick der beiden hatte empfinden können. Sich dies einzugestehen, kostete ihn größte Überwindung. Seine Sehnsucht nach ihr musste so heftig sein, dass ihn ihr Anblick in diesem sinnlichen Zustand bereits körperlich erregte, obwohl ein anderer Mann der Verursacher ihrer Empfindungen war. Ihre Macht über ihn war beängstigend, dabei ahnte sie nichts
Weitere Kostenlose Bücher