Seine einzige Versuchung
abreißen - das lasse ich nicht zu. Ich will schließlich noch länger etwas von Dir haben!“
„Wie uneigennützig Du bist, meine liebevolle Gemahlin!“ Der kleine Schlagabtausch lenkte ihn ab und tat ihm sichtbar gut. Als Paulsen vor dem Haus anhielt, stieg Benthin - zumindest äußerlich - in blendender Verfassung aus und half Elli in bester Manier aus der Kutsche. Schon öffnete sich die Haustür und Ellis Mutter eilte heraus, um ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu sehen. Sie erwartete eine verzweifelt weinende Tochter und einen finster dreinblickenden Ehemann. Stattdessen war der einzige, der eine wirklich düstere Miene aufgelegt hatte, ihr eigener Mann. Elli und Benthin strahlten um die Wette und kamen Hand in Hand auf sie zu.
„Elli, mein Kind! Du siehst fabelhaft aus! Sie übrigens auch, Benthin - ganz im Gegensatz zu gestern. Sie haben uns einen schönen Schrecken eingejagt! Aber kommt doch erst mal herein!“ Professor Preuß hielt sich nach wie vor im Hintergrund. Er war nicht bereit, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, auch wenn es seiner Tochter offensichtlich gut ging und sein Schwiegersohn sich anscheinend wieder im Griff hatte:
„Elli.“ Er zog sie kurz an sich und musterte ihr Gesicht als ob er Spuren suchte, die ihm Hinweise auf eine schlechte Behandlung durch Benthin gaben. Da er nichts dergleichen fand, fragte er: „Ist alles Ordnung mit Dir?“
„Aber ja, Papa. Es ging mir nie besser!“ Allein ihr Strahlen reichte aus, um jeden Zweifler zu überzeugen.
„Schwiegersohn?“ Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass diese Frage als Befehl gemeint war.
„Ja?“ Benthin fühlte sich sichtbar unbehaglich. Er ahnte, wie sehr sein alter Freund enttäuscht von ihm war. Es würde schwer werden, ihn davon zu überzeugen, seiner Freundschaft weiterhin würdig zu sein.
„Kommen Sie bitte mit in mein Arbeitszimmer.“
„Wie Sie wünschen, Professor.“ Benthin warf noch einen Blick auf Elli und zuckte mit den Schultern, als wolle er sich dem Unvermeidlichen widerstandslos ergeben. Elli konnte nicht zulassen, dass ihr Vater ihren Mann wie einen Angeklagten vor Gericht zitierte und dabei ihre Schuld unbeachtet blieb:
„Halt! Wenn hier eine Unterredung stattfindet, dann nicht nur unter vier Augen. Ich will dabei sein - die Sache geht mich genauso an wie Julius!“ Diese Gelegenheit ließ Frau Preuß nicht ungenutzt verstreichen:
„Und auch mich geht das Ganze etwas an!“ Benthin versuchte, Elli zu beschwichtigen:
„Lass doch, Elli. Ich komme ganz gut alleine zurecht.“
„Nein, nein, lassen Sie sie nur - ich bin nicht gewillt, Zurückhaltung zu üben, auch wenn die Damen zugegen sind!“ Professor Preuß schritt entschlossen voran zum Salon und bedeutete den Anwesenden, Platz zu nehmen. Elli und ihre Mutter ließen sich auf einem Sofa nieder, während Benthin unschlüssig hinter der Rückenlehne stehenblieb. Ellis Vater stellte sich ans Fenster und blickte nach draußen:
„Nun, Benthin…“
„Aber lass‘ ihn sich doch erst mal setzen!“, warf Ellis Mutter nun ein.
„Er geht lieber auf und ab. Dann kann er besser argumentieren…“, knurrte ihr Mann. „Und das hat er auch bitter nötig!“ Seine Stimme wurde lauter. „Ich verlange eine Erklärung, Benthin!“ Benthin zögerte kurz, dann setzte er an:
„Verehrter Schwiegervater, liebe Schwiegermutter…“ Preuß wurde ungehalten:
„Lassen Sie doch diesen Zinnober! Wir sind hier nicht vor Gericht! Ich will endlich wissen, was vorgefallen ist!“
„Ach, Papa! Lass ihn doch in Ruhe! Es ist sowieso alles meine Schuld!“
„Es ist ja ganz rührend, wie Du versuchst, ihn in Schutz zu nehmen. Wie haben Sie das bewerkstelligt, Benthin?“ Elli ließ sich nicht davon abbringen, ihren Ehemann zu verteidigen:
„Ich sage das aus freien Stücken! Auch wenn Du es vielleicht nicht glauben magst: Julius hat sich nichts zuschulden kommen lassen! Ich… Wir hatten einen… eine…“ Sie wusste nicht mehr weiter. Benthin sprang ein:
„Wir hatten eine kleine Krise, nichts von Bedeutung. Unsere Meinungsverschiedenheit ist längst geklärt. Es tut mir leid, Sie so in Aufregung versetzt zu haben…“
„ Meinungsverschiedenheit nennen Sie das?! Hören Sie mal, wenn meine Frau und ich bei jeder Meinungsverschiedenheit so einen Aufstand veranstalten würden, hätten wir unsere Eltern damit vorzeitig ins Grab gebracht!“
„Gut, es war mehr als das, aber wichtig ist doch, dass es nun vorbei ist“,
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