Seine einzige Versuchung
seist.“
„Wie muss ich mir das vorstellen? Bist Du wie ein Irrer durch das Haus gerast und in alle Zimmer gestürmt?“ In ihrer Fantasie konnte sie sich die Szene lebhaft vorstellen.
„Ja, so in etwa.“ Er senkte schuldbewusst den Kopf. „Das grenzte schon fast an Hausfriedensbruch, aber ich war vollkommen außer Kontrolle, nachdem ich Dich in der Bahn gesehen hatte… Gerlach hat noch versucht, mich aufzuhalten - ohne Erfolg, wie Du ja weißt…“
„Ist Kontrollverlust Dein zweiter Name?“, frotzelte Elli.
„Ich fürchte, in der letzten Zeit ist es tatsächlich so gewesen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das legen wird, zumindest was meinen Umgang mit Deinem Vater angeht. Was meine Reaktionen auf Dich betrifft, bin ich mir da allerdings nicht so sicher…“ Um seine Worte zu untermauern, küsste er sie, diesmal umso fordernder. Zwischen seinen Küssen startete Benthin einen nicht ganz ernst gemeinten Versuch:
„Ob wir das Bett wohl nochmal kurz benutzen dürfen?“ Ein diskretes Hüsteln, das von der halb geöffneten Tür kam, brachte die Ernüchterung:
„Brauchen Sie noch Hilfe mit Ihren Koffern, Frau… von Benthin?“ Die Pensionswirtin machte keinen Hehl aus ihrem Unbehagen, der Kontakt der beiden könne entschieden zu weit gehen und womöglich ihr Haus in Verruf bringen. Insgeheim war sie heilfroh, dass Ellis Abreise nun kurz bevorstand. So gerne sie Elli auch mochte, aber seitdem ihr Ehemann aufgetaucht war, war nichts mehr wie vorher. Natürlich war ihr nicht entgangen, wie lange er sich am Vorabend noch in ihrem Haus aufgehalten hatte, und als er endlich in seine Kutsche gestiegen war, machte sie gedanklich drei Kreuze, dass er Wort gehalten hatte. Über das, was in der Zwischenzeit in Ellis Zimmer geschehen sein mochte, wollte sie lieber gar nicht nachdenken. Es war nur zu offensichtlich, dass die beiden nicht voneinander lassen konnten. Doch das sollten sie lieber in ihrem privaten Schlafzimmer zu Hause tun…
„Ich trage meiner Frau die Koffer - sogar mit allergrößter Begeisterung!“ Er spielte natürlich auf sein Versäumnis von Etikette an, als Elli ihn verlassen hatte. Damals konnte er sich nicht dazu durchringen, sie in irgendeiner Form in ihrem Vorhaben zu unterstützen und sei es durch einen simplen Akt der Höflichkeit. In Anspielung auf die Zumutung, die sein Auftauchen vermutlich für die Wirtin bedeutet haben mochte, ergänzte er noch: „Vielen Dank für Ihr Verständnis! Elli, hast Du Dein Zimmer schon bezahlt?“ Elli nickte und bedankte sich ebenfalls herzlich bei der Wirtin
„Ich kann es kaum erwarten, wieder mit Dir zu Hause zu sein“, flüsterte sie ihm zu und sah ihn mit vielversprechenden Blicken an. Sie saßen in der Kutsche. Er hatte den Arm um sie gelegt und stellte erfreut fest:
„Ich hoffe und ahne, weshalb Du mir diese Art von Blicken zuwirfst, und bin von der Vorstellung hingerissen, aber egal, was wir beide vermutlich jetzt viel lieber täten - es wird warten müssen.“
„Darf ich erfahren, was Du vorhast?“
„Das liegt doch auf der Hand - wir müssen zuerst Deine Eltern beruhigen. Und findest Du nicht, dass auch Martha es verdient hätte, zu erfahren, wie sich die Dinge entwickelt haben?“
„Natürlich! Ich hätte es beinahe vergessen vor lauter Vor-… ehm… Wiedersehensfreude…“ Benthin war begeistert von ihrem kleinen Versprecher. Er wisperte ihr ins Ohr:
„Du musst Dich noch ein wenig gedulden, Liebste. Es geht mir genauso, aber wenn ich eines in den letzten Monaten gelernt habe, dann ist es Warten. Je länger die Früchte reifen, desto süßer sind sie bei der Ernte…“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu und bescherte ihr das unvermeidliche, bezaubernde Erröten ihrer hellen Wangen.
„Dein Vater hat unmissverständlich klargestellt, dass er uns beide heute noch zu sehen wünscht, sobald ich Dich - wie er sich ausdrückte - aufgetrieben habe.“
„Das klingt nicht so, als sei er in einer nachsichtigen Verfassung weggegangen.“
„Nein, durchaus nicht - er war äußerlich ruhig, aber ich konnte es förmlich spüren, dass er vor Zorn brodelte. Das wird kein Spaziergang…“ Er lächelte still in sich hinein, als Elli Paulsen bat, den Weg zu ihren Eltern einzuschlagen.
„Warum lächelst Du angesichts dieser Aussichten?“
„Ich habe doch wirklich alles getan, um unsere Freundschaft nicht zu gefährden - und was ist dabei herausgekommen? Dir habe ich wehgetan, um Dir nicht wehzutun , und er verachtet mich,
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