Seine einzige Versuchung
dies ihrem jugendlichen Leichtsinn zu. Gleichzeitig fühlte er sich angesichts seines Alters verantwortlich, die aus dem Ruder gelaufene Annäherung wieder in gemäßigtere Bahnen zu lenken:
„Elli, ich habe mir die Moralvorstellungen unserer Gesellschaft nicht ausgedacht, und doch werden wir nicht umhinkommen, unser Verhalten danach auszurichten.“ Dann tat er das, was er schon längst hätte tun sollen. Er nahm ihre Hände in seine:
„Du solltest mich also besser heiraten, damit ich mir nicht ewig Vorwürfe machen muss, was ich eben mit Dir im Wald angestellt habe.“ Elli antwortete mit einer herausfordernden Frage:
„Du willst mich also heiraten, um sozusagen nachträglich nicht gegen die Etikette zu verstoßen?“ Sie besaß in der Tat das Talent, einen Mann zur Verzweiflung zu treiben:
„Aber Elli, ich habe doch nun wahrlich kein Geheimnis aus meinen aufrichtigen Gefühlen für Dich gemacht. Ich liebe alles an Dir: Deine Aufsässigkeit, Deine Provokationen, Deine Schlagfertigkeit, Deinen Sinn für Ironie, Deine Direktheit, die kleinen Wortgefechte mit Dir - ich könnte Dir noch eine ganze Liste nennen…“ Trotz seiner überwältigenden Aufzählung fühlte sich Elli in ihrer Weiblichkeit zu wenig bestätigt:
„Aber hübsch findest Du mich eigentlich nicht…“
„Oh, Elli! Du hast ja keine Ahnung, wie hinreißend Du bist! Dein Duft, Deine Haut, Deine Haare, Dein Lächeln, Deine Stimme, Deine Art, Dich zu kleiden, Deine funkelnden Augen, wenn Du wütend bist, mit Dir zu tanzen und… Deine Lippen… Dich… zu… küssen…“ Benthin hatte sie während dieser beeindruckenden Beschreibung, die Elli fast schwindelig machte, an sich gezogen und die letzten Worte mit sanften Küssen auf ihre Lippen gehaucht. Er nahm sie bei den Schultern und schob sie ein Stück von sich weg, um ihre Augen sehen zu können. Erwartungsvoll blickte er sie an:
„Willst Du mich noch ein bisschen quälen, oder kannst Du Dich zu einer Antwort durchringen?“
„Ja“, gab Elli ihm ganz sachlich zu verstehen.
„Ja - was? Quälen oder antworten?“
„Das war meine Antwort!“ Elli musste sich stark zusammenreißen, um ihren ernsten Gesichtsausdruck aufrechterhalten zu können, während sie vor überwältigenden Glücksgefühlen beinahe platzte.
„Gut, dann ist ja alles geklärt“, antwortete er nun regungslos mit undurchdringlicher Miene. Elli senkte den Kopf, da sie ein breites Grinsen nicht mehr unterdrücken konnte, doch das ließ er ihr nicht durchgehen. Stattdessen nahm er ihren Kopf zärtlich in seine Hände und zwang sie, ihn wieder anzusehen. Inzwischen hatte er ihre Maskerade durchschaut und strahlte sie ebenfalls mit seinem umwerfenden Lächeln an. Ihr Gesicht mit liebevollen Küssen bedeckend, stellte er fest:
„Elli Preuß - Du verstehst es, einen gestandenen Mann auf die Folter zu spannen! Du willst also wirklich meine Frau werden? Trotz meiner Herkunft, meiner Zugeknöpftheit und Borniertheit und den vorgestrigen Ansichten?“ Er musste sie vor lauter Übermut noch einmal damit aufziehen.
„Ja. Aber vielleicht überlege ich es mir doch noch einmal anders, wenn Du mir diese Geschichte immer wieder unter die Nase reibst!“
„Es hat mich nie gestört, was Du über mich gesagt hast - im Gegenteil. Ich fand Deine Beschreibung sogar äußerst kreativ und dachte mir: So gleichgültig kann ich ihr nicht sein, denn dann würde sie sich nicht die Mühe machen, so viele Worte über mich zu verlieren.“
„Du verfügst über ein gesundes Selbstbewusstsein, die vernichtenden Worte einer Frau so zu interpretieren!“
„Willst Du Dich jetzt mit mir streiten oder mich küssen?“
„Eine schwierige Wahl…“
„Streiten oder küs-…?“ Doch da hatte sie die Antwort schon in die Tat umgesetzt, sich auf die Zehenspitzen gestellt, um ihn erreichen zu können und seinen Mund wie ein Schmetterling mit ihren Lippen zu berühren.
Kapitel 10
Was dann folgte, stellte die so aussichtsreich begonnene Liebe von Julius von Benthin und Elli Preuß auf eine schwere Zerreißprobe.
Ellis Mutter hielt es selbstverständlich für das größte Glück wie sich die Dinge fügten. Sie konnte es kaum fassen, dass ausgerechnet Elli eine solch gute Partie machen sollte. Ihr Ehemann war verhaltener in seiner Zustimmung, zeigte sich aber durchaus zufrieden mit der Wahl seiner Tochter. Nach wochenlanger Vorbereitungszeit, in der sich die Brautmutter in höchstem Maße verausgabte, fand eine standesgemäße
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