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Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
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Männer herbeizusehnen. Sie gaben sich nicht mit sinnleeren Themen wie dem Tratsch über mögliche Eheanbahnungen, Ehekrisen, den nächsten Ball und die neueste Mode zufrieden. Sie erlebten die Benachteiligung der einfachen Leute ganz unmittelbar. Dadurch wussten sie ihr privilegiertes Leben erst richtig zu schätzen und setzten sich mit großer Energie gegen die herrschende Ungerechtigkeit ein. Ihre hauptsächliche Arbeit bestand in der Organisation der Suppenküche für die Armenspeisung und Unterstützung bei der Säuglingspflege in notleidenden Familien. Sie kümmerten sich gemeinsam mit Ärzten um die Tuberkulosevorsorge  -  zu der Zeit eine der großen gesundheitlichen Bedrohungen, umso mehr als sich die todbringende Krankheit besonders rasch in den beengten städtischen Wohnverhältnissen dieser Familien mit oftmals ganzen Heerscharen von Kindern ausbreiten konnte.
    Vor kurzem hatte es vom Kommandanten der stadtnahen Garnison eine Anfrage zur Unterstützung der militärischen Krankenpflege gegeben. Er wollte außerdem wissen, ob sich der Verein um Kleiderspenden für einfache Soldaten und deren meist arme Familien kümmern könne. Bislang hatte man allerdings nur die Anfrage nach dem Krankendienst erfüllen können, da sich vor einigen Monaten eine ehemalige Krankenschwester dem Frauenverein angeschlossen hatte. Dem Wunsch nach Unterstützung durch Kleiderspenden hatte man bislang noch nicht nachkommen können. Die Vereinspräsidentin überlegte sich daher, wie sie Elli am geschicktesten einsetzen könnte:
    „Wir sind sehr froh über Ihren Wunsch, uns zu unterstützen. Wäre es Ihnen zeitlich möglich, uns immer montags, mittwochs und freitags in der Suppenküche zu helfen und sich der Frage nach Kleiderspenden für die Soldaten der Garnison anzunehmen?“, fragte sie ganz direkt, aber freundlich. Hier hatte man keine Zeit mit  langwierigen Diskussionen zu vergeuden - die Not erlaubte keinen Aufschub oder Animositäten.
    „Ja, ich denke, dass ich das schaffen kann. Darf ich mich an Sie wenden, wenn ich nicht gut voran komme? Ich habe schließlich noch keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet.“ Es mangelte Elli nicht an Eifer für die Sache, doch befürchtete sie, den Anforderungen möglicherweise nicht gerecht zu werden, zumal sie unmittelbar ins kalte Wasser gestoßen wurde.
    „Aber selbstverständlich! Wir lassen Sie nicht im Regen stehen, wenn Sie nicht wissen, was zu tun ist. Es ist wirklich eine Ehre, Sie in unseren Reihen zu wissen - Sie treten damit ganz in die Fußstapfen Ihres Mannes.“
    „Inwiefern?“, wollte Elli wissen. Sie wunderte sich ein wenig, dass sein Name offensichtlich bekannt war, da er doch recht zurückgezogen lebte.
    „Nun ja, er mag sich damit nicht bei allen Herrschaften der sogenannten besseren Gesellschaft beliebt gemacht haben, anscheinend sogar eher im Gegenteil. Aber diejenigen, die wissen, wie wenig Gerechtigkeit den Armen widerfährt, schätzen seine uneigennützigen Einsätze für die einfachen Leute sehr hoch. Ich hörte, Ihr Mann habe nun auch politische Ambitionen für ein Amt im Magistrat.“ Zu hören, wie anerkennend über ihren Mann gesprochen wurde, erfüllte Elli mit Stolz, wenngleich ihr bewusst war, dass er zur Durchsetzung seiner Ziele eher noch mehr als weniger würde arbeiten müssen.
    „Ja, das ist richtig - er will sich zur Wahl aufstellen lassen. Er will ein verbindliches Schulpflichtgesetz für alle Kinder durchsetzen, unabhängig von ihrer Herkunft, und er kämpft für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen einfacher Arbeiter“, schloss sie.
    „Das sind sehr ehrenhafte, wenn auch schwer zu erreichende Ziele. Er wird auf massive Widerstände bei den konservativen Sturköpfen im Magistrat stoßen. Lassen Sie mich wissen, wenn er Unterstützung benötigt. Mein Mann schätzt ihn ebenfalls sehr und hat durchaus Möglichkeiten zur Einflussnahme aufgrund seiner zahlreichen Kontakte - nicht unbegrenzt natürlich, aber immerhin…“
    „Vielen Dank, Sie sind sehr freundlich.“
    „Wir müssen zusammenhalten - dabei geht es nicht allein um die Unterstützung der Schwächeren, sondern auch um Hilfe untereinander. Nur so können wir etwas bewirken, und nun lassen Sie uns an die Arbeit gehen. Wir werden bestimmt schon dringend in der Suppenküche gebraucht“, beendete sie ihre Worte ganz pragmatisch.
    Elli war beeindruckt. Bislang hatte sie keine Kontakte zu derart selbstbewussten und politisch interessierten Frauen gehabt. In ihrer Verwandtschaft und im

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