Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
Vom Netzwerk:
nicht allzu oft zu begegnen. Sie ging ihm mitunter sogar gezielt aus dem Weg, um nicht immer wieder an ihre unerfüllte, schmerzhafte Sehnsucht nach ihm erinnert zu werden. Allmählich gewöhnte sie sich an diesen Zustand und nahm ihn mehr und mehr als gegeben - wenn auch mit Bedauern - hin. Ohne ihre Tätigkeit im Frauenverein hätte sie die Situation wohl nicht so würdevoll ertragen können. Sie wollte es sich zwar nicht eingestehen, doch auch die Bemühungen von Kabus bewirkten, dass sie sich nicht vollkommen überflüssig fühlte. Es tat ihr gut, dass sich jemand so offensichtlich für sie interessierte. Nun schien diese Quelle des Zuspruchs auch noch zu versiegen. Sie begann, ihn zu vermissen, ihn und seine Vorwitzigkeit, die sie eigentlich schlichtweg ungebührlich - insgeheim jedoch ziemlich unwiderstehlich - fand. Schon erwischte sie sich bei dem Gedanken, einen Vorwand zu suchen, ihn in der Garnison aufzusuchen oder mit einem Brief Kontakt zu ihm aufzunehmen. Schnell verscheuchte sie den Einfall wieder aus ihrem Kopf, um schon kurz darauf wieder nach einem angemessenen Thema Ausschau zu halten, mit dem sie sich an ihn wenden könnte. Der Zufall spielte ihr in die Hände, als die Krankenschwester, die im Namen des Vereins im Militärhospital mithalf, Elli um Hilfe bat. Es fehlte an banalen Dingen im Hospital. Viele Laken und Bezüge waren zerschlissen, und man brauchte dringend neue Handtücher und Matratzen. Über die erforderlichen Mengen konnte ihr die Vereinskameradin allerdings keine Auskunft geben. Elli beschloss also, einen Brief an Kabus aufzusetzen: 
     
    Sehr verehrter Oberstleutnant,
    wie ich von einer Mitstreiterin im Frauenverein erfuhr, besteht im Militärhospital erhebliche Knappheit an intakter Bettwäsche, Handtüchern und Matratzen. Wir möchten daher als Verein unsere Hilfe anbieten. Dazu benötigen wir genaue Aufstellungen über die vorhandenen Mängel,  fehlende oder unbrauchbare Waren und erforderliche Mengen. Möglicherweise sind Sie in dieser Angelegenheit nicht der zuständige Ansprechpartner, aber es wäre sehr freundlich von Ihnen, mir entsprechende Hinweise zukommen zu lassen, damit ich weiß, an wen ich mich wenden kann. Es tut mir leid, Ihnen mit diesem Anliegen erneut zur Last fallen zu müssen. Im Namen des Vereins darf ich Ihnen unseren Dank aussprechen für Ihre bisherige Unterstützung und die freundliche Übersendung der Helfer.
     Bis auf bald  - Elli v. Benthin
     
    „Sie haben gerufen - da bin ich! Seien Sie gegrüßt, meine Damen!“ Kabus hatte es sich nicht nehmen lassen, kurze Zeit nach dem Eintreffen von Ellis Brief die Suppenküche aufzusuchen. Selbstverständlich hatte er einen der Tage ausgewählt, von denen er wusste, er würde Elli antreffen. Er krempelte seine Ärmel hoch und begann sogleich geschäftig mit zuzupacken, da der Ansturm der Hungrigen schon in vollem Gange war und wie immer jede zusätzliche Hand gut gebraucht werden konnte. Was zu tun war, wusste er ja bereits von seinen bisherigen Einsätzen. Er sah Elli und nickte ihr aufmunternd zu. Zu seiner Genugtuung gelang es ihr nicht, ihre Freude über das Wiedersehen ausreichend zu verbergen. Sie hatte ihn augenscheinlich vermisst, wollte dies aber nicht allzu offensichtlich zeigen. Elli lächelte ihn einen Moment lang an, senkte dann aber rasch den Blick, als ob sie auf frischer Tat ertappt worden sei. Ihre unschuldige Unbeholfenheit verschaffte ihm ein Gefühl des Wohlbehagens und die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Er konnte nicht genau festmachen, ob ihn das Spiel als solches mehr erregte oder ihre unverdorbene Art, sich ihm wieder zu öffnen. In Gedanken sah er sie schon unter sich liegen - voller Hingabe. Er fragte sich, was ihr gefallen könnte in einem solchen Augenblick der Leidenschaft, ob sie es lieber wild mochte oder zart. Das würde er ohne Zweifel herausfinden, wenn es so weit wäre, und es würde ihm ein Vergnügen sein, ihre Wünsche zu ihrer -  und seiner - vollsten Zufriedenheit zu erfüllen. Still lächelte er in sich hinein und erledigte die schweren Arbeiten umso beschwingter. 
    Er war also wieder da. Der Brief hatte seine Wirkung offenbar nicht verfehlt, obwohl sie ihn bewusst so sachlich formuliert hatte. Lediglich beim Abschiedsgruß hatte Elli sich hinreißen lassen, ihre Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen dezent anzudeuten. Sein spontanes Auftauchen war dennoch überraschend für sie gekommen, denn sie hätte eher mit einer schriftlichen Antwort gerechnet

Weitere Kostenlose Bücher