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Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
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Lage, ihre Augen von seinen zu lösen, um ihre Blicke zu ihrer Erleichterung auf den Boden zu richten. Sie konnte nicht antworten. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie spürte, wie die erste bereits an ihrer Wange herunterlief. Mit bebender Stimme verlangte sie: 
    „Lassen Sie mich sofort los! Ich will alleine sein!“ Seine Vermutung wurde durch ihre Reaktion bestätigt. Er war zufrieden mit sich. Selbstverständlich ließ er sie los, denn er hatte seinen Etappensieg errungen. Für heute hatte er alles erreicht, was er wollte. Nun wusste er, dass es in ihrer Ehe kriselte und kannte auch den Grund: der perfekte Benthin gab offenbar keinen so perfekten Ehemann ab und vernachlässigte seine junge Frau sträflich. Seine Strafe würde die perfekte Rache sein. Er blickte Elli nach, die sich mit raschen Schritten entfernte, und lächelte gleichmütig in sich hinein. 
    Elli schämte sich nicht ihrer Tränen. Allerdings wollte sie mit ihrer Traurigkeit für sich sein. Keinesfalls hätte es so weit kommen dürfen, dass sie sich vor einem mehr oder weniger Fremden so gehen ließ, wie es gerade geschehen war. Ihre Schritte führten sie nicht direkt nach Hause, sondern in den Park. Sie war einigermaßen zuversichtlich, hier niemandem zu begegnen, da das Wetter nicht sonderlich einladend für Spaziergänger war. Wie war es möglich, dass Richard Kabus die Fähigkeit zu besitzen schien, unmittelbar in sie hineinzusehen? Bislang hatte er ihre Gefühlsregungen mit Leichtigkeit durchschauen können und mehrfach ihre Achillesferse attackiert. Wie sollte das noch weitergehen? Warum trat er ihr ständig zu nahe und begann in ihr das Bedürfnis zu wecken, sich an ihn anzulehnen und Trost bei ihm zu suchen? Sie versuchte vehement, sich dagegen zu wehren. Schroff hatte sie ihn angefahren und die Flucht ergriffen. In Wahrheit hätte sie sich zu gerne an seine Schulter angelehnt und sich seinen tröstenden Worten hingegeben. Doch derart die Beherrschung zu verlieren, war undenkbar. Ihr privates Unglück ging ihn nichts an, und es gehörte sich nicht für eine verheiratete Frau, über ihre Eheprobleme zu lamentieren, schon gar nicht vor einem Mann, sei es nun der eigene oder ein fremder. Dieser Gedanke verblüffte Elli. Sie erkannte sich beinahe selbst nicht mehr, da ausgerechnet sie darüber nachzudenken begann, was sich gehörte und was nicht. 
    Als sie nach Hause kam, war es schon fast dunkel. Frau Roth hatte heute Dienst. Sie hatte das Mittagessen in der Küche warmgehalten und befand, dass Elli nicht bei diesem Wetter und schon gar nicht in der früh einbrechenden Dunkelheit draußen herumlaufen sollte. Jakob war bereits vor zwei Stunden eingetroffen und hatte sich in der Küche nützlich gemacht. Eigentlich hatte Benthin heute mit ihm arbeiten wollen. Doch dann musste er kurzfristig zu einem wichtigen unvorhergesehenen Termin und entschuldigte sich bei Jakob in der Hoffnung, Elli würde bald eintreffen und für heute seinen Part übernehmen. Als Elli Anstalten machte, sich sogleich mit Jakob an die Arbeit zu begeben, bestand Frau Roth darauf, sie möge zunächst einmal ihre Mahlzeit einnehmen:
    „Sie müssen jetzt erst ‘mal etwas essen, Frau von Benthin. Sie sehen schon ganz bleich aus. Sie wissen, dass ich Hochachtung vor Ihrer aufopferungsvollen Hilfe habe, aber es nützt doch keinem etwas, wenn Sie selber krank werden. Und - wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben - Ihr Mann scheint sich in letzter Zeit auch etwas viel zuzumuten. Finden Sie nicht?“ Elli war nicht nach Konversation zumute. Entgegen ihrer sonst so freundlichen Art antwortete sie nur kurz angebunden:
    „Das sollten Sie ihm vielleicht lieber selber sagen.“ Frau Roth besaß genug Erfahrung, um zu verstehen, dass es nicht besonders gut stand zwischen den Eheleuten. Und insgeheim überraschte sie dies nicht, da es für sie unübersehbar war, wie sich die beiden kaum zu Gesicht bekamen und jeder in seine Aufgaben vertieft war. Sie schienen in zwei verschiedenen Welten zu leben, zwischen denen sich nur dann und wann ihre Wege kurz kreuzten, aber nie lange genug, um in Ruhe Zeit füreinander zu finden oder einfach ein wenig gemeinsame Zerstreuung zu genießen. Man musste wahrlich kein Hellseher sein, um zu begreifen, dass sich hier zwei Menschen immer mehr voneinander entfernten, auch wenn es zunächst so ausgesehen hatte, als seien sie füreinander geschaffen gewesen. Frau Roth wollte Elli nicht zu nahe treten und gab ihr durch ein verständnisvolles Kopfnicken

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