Seine einzige Versuchung
- wenngleich sie natürlich gehofft hatte, ihn bald wieder zu sehen. Da der Küchenbetrieb bereits begonnen hatte, ergab sich zunächst keine Gelegenheit zu einer persönlichen Begrüßung. Er hatte ihr nur vertraulich zugenickt, was sie mit unbändiger Freude erfüllte und sie zugleich in Verlegenheit brachte, da ihr diese unvermittelte innere Regung selber nicht geheuer war.
„Nun stehen wir also wieder hier. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Geht es Ihnen auch so?“ Kabus hatte Elli nach getaner Arbeit nach draußen gelotst und hielt ihre Hand nach einem eleganten Handkuss zur Begrüßung weiter fest. Er sah ihr über die Hand hinweg forschend in die Augen. Elli entzog ihm vorsichtig ihre Hand, da seine Berührung und seine Blicke sie verunsicherten.
„Es ist schön, dass Sie die Zeit gefunden haben, herzukommen. Heißt das, sie werden sich auch weiterhin für den Verein einsetzen?“
„Sie sind eine Meisterin darin, einer Antwort durch eine Gegenfrage auszuweichen. Haben Sie mich wenigstens ein bisschen vermisst?“
„Müssen Sie mich denn immerzu in Verlegenheit bringen?“ Elli wollte nicht gleich wieder schroff werden, konnte es aber nicht zulassen, dass er ihr schon wieder so nahe kam.
„Schon wieder eine Gegenfrage! Ich mache Sie also verlegen - das gefällt mir. Lassen Sie uns wieder ein paar Schritte zusammen gehen, oder haben Sie etwa ausnahmsweise vor, eine Kutsche zu nehmen?“
„Nein, das hatte ich in der Tat nicht vor. Also gut, gehen wir.“ Neben ihm zu gehen, war ihr ohnehin angenehmer als ihm gegenüber zu stehen und seinen durchbohrenden Blicken standzuhalten.
„Ihr Brief war hübsch unpersönlich - ich dachte wir hätten uns ein wenig angefreundet und könnten auf solche Formalitäten verzichten.“
„Ich kann doch nicht davon ausgehen, dass Ihre Hilfe selbstverständlich ist. Sie haben schließlich auch noch andere Verpflichtungen - berufliche und private, soweit ich weiß.“
„Welche privaten Verpflichtungen meinen Sie denn da?“ Sein Ton wurde auf einmal angespannt, fast ein wenig ungehalten.
„Verzeihung. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, aber mein Mann sagte, Ihrer Frau ginge es zurzeit nicht so gut.“ Elli war froh, diesen Aspekt seines Lebens angesprochen zu haben. Zum einen wollte sie ein wenig mehr über sein ominöses Privatleben wissen, zum anderen dachte sie, mit der Erwähnung seiner Ehefrau ein wenig mehr Distanz aufbauen zu können.
„Was weiß Benthin schon über meine Frau? Sie haben also mit ihm über mich gesprochen?“ Das Thema bereitete ihm sichtlich Unbehagen.
„Jetzt antworten Sie mit Gegenfragen. Und ja - warum sollte ich nicht mit meinem Mann über Sie gesprochen haben?“ Zum ersten Mal hatte Elli das Gefühl, ihm endlich einmal nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, auch wenn es gar nicht ihre Absicht gewesen war, einen wunden Punkt bei ihm zu treffen.
„Also, erstens: ich möchte nicht über meine Frau sprechen - das geht niemanden etwas an. Und zweitens: es interessiert mich nicht, was Ihr Mann von mir hält. Wir haben schließlich alle unsere kleinen Laster…“ Er konnte nur ahnen, dass Benthin nicht unbedingt in den höchsten Tönen von ihm gesprochen hatte. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn dieser gar nichts von seinem Kontakt zu Elli gewusst hätte. Womöglich hatte er sie vor ihm gewarnt - Benthin war clever genug, seine Machenschaften zu durchschauen. Ohne es zu ahnen, hatte er Elli mit seinem letzten Satz in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Was sollte diese Andeutung eines Lasters ? Wusste er, dass Benthin Kontakte zu anderen Frauen hatte? Wie konnte er davon Wind bekommen haben?
„Sie sehen plötzlich ganz bleich aus. Habe ich Sie mit meinen Worten irritiert?“ Kabus hatte sich nun wieder so weit unter Kontrolle, dass ihm ihre Reaktion nicht entgangen war. „Das war nicht meine Absicht. Ich mag es einfach nicht, wenn sich jemand über mein Privatleben auslässt.“ Ellis Gedanken kreisten immer noch panisch um seine Worte: Wir haben schließlich alle unsere kleinen Laster. Sie dröhnten in ihren Ohren - wieder und wieder. Seine vorgebrachte Entschuldigung hatte sie kaum wahrgenommen.
„Welche Laster meinen Sie?!“, brach es plötzlich unkontrolliert aus ihr heraus. Ihre Stimme klang beinahe hysterisch. Er zog sie gelassen zu sich heran und streichelte beruhigend ihre Schultern - er tat dies nicht, ohne sich vorher durch ein kurzes, unauffälliges
Weitere Kostenlose Bücher