Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
verlegen sagte er, er habe nicht mit einer so schnellen Antwort
meinerseits gerechnet, würde aber gern ein paar hilfreiche Argumente für den
Minister zusammenstellen. Dann fügte er hinzu, die Note habe in dem Land eine
Debatte ausgelöst, die das Klima während des Wahlkampfes vergiften könne. Mir
scheint evident, was der Gesprächspartner dann am Ende des Gesprächs
bestätigte, nämlich dass der Minister, wenn auch spät, eingesehen habe, dass er
eine überstürzte und unangemessene Maßnahme ergriffen hat, die sich politisch
auf den Wahlkampf auswirken könnte.
Der Heilige Stuhl verteidigt Rydzyk mit blanker Waffe.
Bedingungslos. Die Bitte, den Priester zum Schweigen zu bringen und seine
unternehmerischen Tätigkeiten zu unterbinden, wird abgewiesen. Auch sonst steht
es mit den Beziehungen zwischen Polen und der Kurie nicht zum Besten, und
obwohl manche Meinungen des Priester-Unternehmers unhaltbar sind, scheint er im
Vatikan höchstes Ansehen zu genießen.
Migliore erinnert daran, dass polnische Politiker wie der
Parteivorsitzende Janusz Palikot und Grzegorz Napieralski, der frühere
Vorsitzende des Bundes der Demokratischen Linken (SLD),
»die Kirche in aller Ruhe beschimpfen, ohne je Erklärungen dafür abzugeben oder
sich zu entschuldigen«. Und sie seien nicht die Einzigen. Migliore kommt auch
auf den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zu sprechen:
Der
Ministerpräsident hat 30 000 polnische Priester mit seinen Erklärungen in
Schwierigkeiten gebracht, die er weder zurückgenommen noch erläutert hat; auch
entschuldigt hat er sich nicht. Außerdem habe ich auf die Erklärung aufmerksam
gemacht, die Jerzy Buzek, der Präsident des Europäischen Parlaments [bis Januar
2012], letzten Freitag abgegeben hat. Er hat die unangemessenen
Behauptungen von Rydzyk beklagt, aber auch gesagt, dass die Sache zwei Tage
unbemerkt geblieben sei und es dabei geblieben wäre, wenn der Außenminister in
den Medien nicht solchen Staub aufgewirbelt hätte.
Tusk bringt die polnische Kirche in Verlegenheit, die
seinen Vorgänger Jarosław Kaczyński
schmerzlich vermisst, da dieser die ultrakonservative Linie zur Verteidigung
der durch Radio Maryja repräsentierten Kirche in Polen unterstützt hatte. Kaczyński hatte sogar die
Schlusskundgebung seines Wahlkampfs am Sitz des Senders abgehalten.
Noch mehr bringt Migliore die zweite Bitte in Wallung, nämlich die
unternehmerischen Aktivitäten des Priesters zu unterbinden. Wie kann man den Vatikan
bitten, einen Kleriker aus den eigenen Reihen in die Schranken zu weisen? Jetzt
schlägt Migliore in seiner »Verwunderung, welche die Bitten der polnischen
Regierung im Staatssekretariat ausgelöst haben« einen Ton an, der an den Kalten
Krieg erinnert:
Man kann
keinen Staatsbürger daran »hindern«, auch wenn er ein Geistlicher ist,
politische Meinungen zu vertreten oder eine Aktivität auszuüben, die als
»Business« zu bezeichnen extrem oberflächlich und ungerecht ist und den
Interessen der Zivilgesellschaft widerspricht. […] Ich habe hinzugefügt, dass
die »sala stampa vaticana« [das Presse- und Informationsamt des Vatikans] die
Note nicht veröffentlicht hat, um Polen zur Zeit seiner EU-Präsidentschaft
einen Imageschaden zu ersparen. Ich hatte den Eindruck, dass der
Gesprächspartner bestrebt ist, den Fall als abgeschlossen zu betrachten, auch
im Hinblick auf das Klima während des Wahlkampfs. Ich habe ihm versichert, dass
der Heilige Stuhl keineswegs beabsichtige, sich von einer Note herausfordern zu
lassen, die zu senden sich nicht einmal Staaten wie Kuba oder der Sudan (lauter
Staaten mit diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl) je erlaubt hätten.
Auf bilateraler Ebene seien wir jedoch bereit, das Blatt zu wenden: Wir hätten
bereits einen Schritt getan, indem wir Rydzyk von der Notwendigkeit überzeugt
hätten, sich zu erklären und um Entschuldigung zu bitten, und wir würden
wachsam sein. […] [12] Sie sollen sich nur keine
Illusionen machen: Wenn sie den Bogen überspannen und Pater Rydzyk provozieren
(der nicht auf die Note hin nachgegeben hat, sondern auf Bitten des Nuntius in
Begleitung des örtlichen Bischofs) und Öl ins Feuer gießen, wird er das Maß
vollmachen. Aber dann können sie nicht zum Heiligen Stuhl kommen und bitten,
dass er das Feuer löscht, das sie selbst angefacht haben. […] Angesichts der
Tatsache, dass das Außenministerium und pro bono pacis auch
die Kirche in Polen um Schadensbegrenzung bemüht sind,
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