Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Interview im Radio Vatikan hervortun wollte, »von
Anfang an als eine seiner Hauptaufgaben betrachtet hat, den Papst vor der Flut
von Dokumenten, Briefen und Anfragen zu ›schützen‹, die jeden Tag einträfen. In
diesem Sinne übt er eine Art Filterfunktion aus, indem er versucht, Benedikt XVI. nur die
wirklich wichtigen Fragen vorzulegen, deren Klärung seiner persönlichen
Zustimmung bedürfen. Das ist nicht nur eine sehr verantwortungsvolle Arbeit;
sie zeigt auch, dass der Papst ihm vollkommenes Vertrauen entgegenbringt.« Mit
der Zeit gewann er immer mehr Einfluss. Im vergangenen Jahr gab es zumindest
zwei bedeutungsvolle Auftritte: der letzte an der Seite von Wirtschaftsminister
Giulio Tremonti bei einer Veranstaltung in der Katholischen Universität vom
Heiligen Herzen in Rom im Juni 2011. Bereits im Februar 2011 fand in Perugia der
wohl wichtigste öffentliche Auftritt des Privatsekretärs statt. Don Georg, der
bei dieser Gelegenheit mit der Ehrendoktorwürde der Ausländeruniversität in
Perugia ausgezeichnet wurde, hielt eine große Rede über die Beziehungen
zwischen Staat und Kirche in Italien. Bei dieser Gelegenheit brachte er ein
Sonderstatut für Rom ins Gespräch, das Rom als Hauptstadt des Katholizismus
gerecht werden solle. Hart fiel sein Urteil über Italien und das etablierte
politische System aus. »Vielleicht bedarf es einer inneren Reinigung«, sagte
der deutsche Priester auf die Frage von Journalisten am Ende der Feierstunde,
»die Wurzeln sind noch da. Nur der Staub wirft seinen Schatten.« Gänswein war
es auch, der den Papst gegen verschiedene Angriffe verteidigte. Als er im April
2010
(anlässlich der USA-Reise
des Papstes, in deren Umfeld der Missbrauchsskandal lebhaft diskutiert wurde)
der Bild -Zeitung ein Interview gab, sagte er
unmissverständlich: »Jeder einzelne sexuelle Missbrauch ist abscheulich und zu
verurteilen. Das hat niemand so deutlich getan wie der Heilige Vater und die
katholische Kirche.« Nach Ansicht Gänsweins hat der Papst recht daran getan,
auf die zahlreichen Vorwürfe nicht öffentlich zu reagieren: »Kritik, die in der
Sache hilft, ist immer berechtigt. Ich bezweifle aber, dass die Kritik in
diesem Fall wirklich diese Absicht verfolgt.«
Wer denkt, Don Georg sei
bescheidener als sein Vorgänger Stanisław
Dziwisz, irrt. Gänswein gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies ist nicht nur auf
den zurückhaltenden und scheuen Charakter des Heiligen Vaters zurückzuführen.
Vielmehr kommt hier – bei allen Schwankungen – auch das besondere Verhältnis zu
Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone zum Tragen. Es war Bertone, der sich
unmittelbar nach dem Konklave für Gänsweins Beförderung einsetzte, zum Nachteil
übrigens für Ratzingers langjährigen Mitarbeiter Josef Clemens. Auch im
Zusammenhang mit der Besetzung des italienischen Kabinetts Monti hat Gänswein
eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.
4 Anders ist es bei den Familienessen mit Ratzingers Bruder Georg,
der am Vorabend kirchlicher Feiertage gelegentlich den deutschen Bankdirektor
Thaddäus Kühnel mitbringt. Er wartet verschiedentlich mit Geschenken für den
Papst auf, 2010
und 2011
beispielsweise in Form von Weihnachtsbäumen und Kerzen. Georg unterhält auch
gute Beziehungen zu Josef Clemens, dem ehemaligen Sekretär seines Bruders, der
auf der anderen Seite des Petersplatzes wohnt: im Gebäude des Heiligen
Offiziums, Tür an Tür mit papsttreuen Kardinälen wie etwa dem Päpstlichen
Delegaten für die Legionäre Christi, Kardinal Velasio De Paolis.
5 Nach einem 2011 wieder eingestellten Ermittlungsverfahren gegen
ihn trat Tedeschi am 24. Mai 2012 aufgrund eines Misstrauensvotums des Vorstands als
Präsident des IOR
zurück.
Boffos geheime Briefe an den Papst
1 Boffo zog sich mit einem Brief an Kardinal Angelo Bagnasco vom 3. September 2009 vom Posten des Chefredakteurs des Avvenire zurück.
2 Gabriele Villa, »Boffo,
il supercensore condannato per molestie«, in: Il
Giornale , 28. August 2009.
3 Im Januar 2002 wurde Boffo wegen Beleidigung und Belästigung
angezeigt. Am 9. August
2004
unterzeichnete Augusto Fornaci, der Ermittlungsrichter des Gerichts von Terni,
einen Strafbefehl gegen Boffo wegen Belästigung eines Dritten (Art. 660 des
Strafgesetzbuches). Der Journalist wurde zur Zahlung eines Bußgelds verurteilt.
Anschließend wurde die Beleidigungsklage zurückgezogen. Im September 2005
verbreitete der Journalist Mario Adinolfi diese Nachricht in seinem Blog,
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