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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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berührt. Es ist nicht nötig, dass ich Ihnen
genauer erkläre, wie sehr ich darauf bedacht gewesen bin, nicht in eine Falle
zu geraten, und dass ich wochenlang nicht glauben konnte, was sich vor meinen
Augen offenbarte.
    Andererseits,
Monsignore – wie sollte ich es verschweigen? –, ist es doch gerade dieser
unerwartete Mosaikstein, der angesichts einer Reihe von Umständen, die bislang
in gewisser Weise in der Schwebe geblieben sind, Klarheit zu bringen
verspricht. Stellen Sie sich die zehn Tage vor, in denen die Verleumdungskampagne
im Giornale in die Wege geleitet wurde, ohne Rücksicht auf jeden
Einwand, der zwischenzeitlich im Avvenire oder auch in anderen Zeitungen veröffentlicht worden
war, und unbeeindruckt auch von den glaubwürdigen und zuverlässigen
Informationen, die auf informellem und vertraulichem Wege in die Redaktion
gelangten. Die veröffentlichte Version soll Feltri – wie er behauptet – »von
einem glaubwürdigen, ja über jeden Zweifel erhabenen Informanten« bestätigt
worden sein. Warum also zurückrudern? Wäre es nicht denkbar, dass die
angebliche moralische Verworfenheit des Avvenire- Chefredakteurs seinen Vorgesetzten
nicht bekannt war? Oder, um ein noch bedrohlicheres Szenario zu skizzieren,
haben seine Vorgesetzten ihn wider besseres Wissen gedeckt, weil es opportun
war? Feltri jedenfalls war in seinem Wahn unvorsichtig genug, Spuren zu
hinterlassen: so etwa wenn er (vom ersten Tag an) von der »Begleichung von
Rechnungen innerhalb der Kirche« sprach. Oder als er die Information streute,
das Rundschreiben sei ihm »von der vatikanischen Gendarmerie« zugespielt
worden.
     
    Die Rekonstruktion ist dramatisch und strebt auf den
Moment zu, da ein moralisch fragwürdiger Auftraggeber ausgemacht ist. Der Name,
der hier auftaucht, wenn auch mit Vorbehalt und nur indirekt, aber trotzdem
brisant, ist der von Kardinal Bertone. Boffos Ansicht nach war Bertone zwar
nicht »bis ins letzte Detail über die von Vian geleitete Aktion informiert«.
Allerdings habe er ein Interesse daran gehabt, den Chefredakteur des Avvenire zu vernichten, um die »Kontinuität« zwischen den
Kardinälen Ruini und Bagnasco zu unterminieren. Mit anderen Worten, Vian – so
die Anschuldigung Boffos – habe »darauf vertrauen können, im Sinne seines
Vorgesetzten«, das heißt Bertones, »zu handeln«. In der Vergangenheit sei dies
bereits des Öfteren der Fall gewesen.
    Tatsächlich gibt es für eine Verstrickung Bertones keine eindeutigen
schriftlichen Beweise. Naheliegende Schlussfolgerungen und starke Indizien
lassen sich dennoch nicht von der Hand weisen – wie etwa eine Äußerung, die die
Presse Ende August Paolo Bonaiuti zuschrieb, dem Regierungssprecher von
Ministerpräsident Berlusconi. In Boffos Brief heißt es weiter:
     
    Und weshalb
sollte man nicht anmerken, zumindest unter uns, Monsignore, dass das Interview,
das am 31. August im Corriere
della Sera erschienen ist
und das Herr Professor Vian zwar nicht persönlich, aber doch in seiner Funktion
als Chefredakteur des Osservatore Romano autorisiert hat und in dem massiv Kritik an meiner
Person geübt wurde, heute durchaus nicht mehr als eine unbedachte, von
Eitelkeit diktierte Äußerung erscheint? Unter anderem muss man sich doch
fragen, weshalb jenes Interview nicht richtig eingeordnet wurde, geschweige
denn, dass man sich von ihm und den damit verbundenen Folgen distanziert hätte,
obwohl diesbezüglich eine eindeutige Stellungnahme seitens des Vorsitzenden der
Italienischen Bischofskonferenz vorlag. Ich glaube nicht, um Ihnen gegenüber
ganz offen und ehrlich zu sein, dass Bertone bis ins letzte Detail über die von
Vian geleitete Aktion informiert war. Letzterer hat aber möglicherweise, wie
schon in anderen Notlagen, darauf vertrauen können, im Sinne seines
Vorgesetzten zu handeln: Wäre Boffo erst einmal von seiner Funktion entbunden,
würde schwerlich jemand an seine Stelle treten, der sich so nachdrücklich für
eine Kontinuität zwischen Kardinal Ruini und Kardinal Bagnasco in der Leitung
der CEI einsetzt. Und ein solcher Bezug zwischen Vians Initiative und Kardinal
Bertone musste umso plausibler wirken, als selbst Paolo Bonaiuti, der Regierungssprecher
Berlusconis, irgendeinem im Palazzo Chigi akkreditierten Journalisten off
the record anvertraute: »Wir
haben Bertone einen Gefallen getan.« [6] Daher rührt vermutlich das Unbehagen, das der
Ministerpräsident zu Beginn der Affäre erkennen ließ, um sich dann öffentlich
von der

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