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Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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nennt.«
    »Wie das?« Dr. Phisto schaute zu, wie Dr. Bruckner jetzt die Nadel unter der Haut des Unterlides entlangzog und dabei Flüssigkeit ausspritzte, so daß sich die Haut anspannte und die Falten durch die Quellung verschwanden.
    »Wenn ein Autobusschaffner Urlaub machen will, dann fährt er Autobus, weil er dann zuschauen kann, wie ein anderer die Arbeit macht, die er sonst zu tun hat.«
    Dr. Bruckner hatte das Unterlid mit der betäubenden Flüssigkeit ausgespritzt. Der vorher schrumpelige Sack sah jetzt aus, als ob er gefüllt worden wäre.
    »Unterspritzen Sie auch gleich das Oberlid?« OP-Schwester Euphrosine nahm Dr. Bruckner die geleerte Spritze aus der Hand.
    Der Operateur schüttelte den Kopf. »Nein, damit warten wir noch ein wenig. Es kann sonst passieren, daß die Betäubung des Oberlides in dem Augenblick nachläßt, wenn ich mit dem Unterlid fertig bin. Und das wollen wir doch nicht. Alles klar?«
    »Wie lange werden Sie etwa brauchen?« Schwester Angelika war an den Operationstisch herangetreten.
    »Das kann ich Ihnen nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich schätze, daß wir so in etwa zwei Stunden fertig sein werden, mit allem. Doch, warum fragen Sie?«
    »Damit ich Ihnen rechtzeitig den Kaffee aufbrühen kann.«
    Dr. Bruckner mußte lachen. »Sie können ihn ja warm halten, wenn wir nicht rechtzeitig fertig sein sollten.«
    »Dann schmeckt er nicht mehr. Kaffee muß frisch aufgebrüht sein.«
    »Damit er den Blutdruck richtig erhöht, wie?« Dr. Phisto hatte wieder Platz genommen. Lächelnd schaute er Schwester Angelika an. »Sie können mir auch eine Tasse Kaffee zubereiten. Mein Blutdruck liegt so darnieder, daß ich eine Aufbesserung brauche!«
    »Sie sollten doch wissen, daß Kaffee nicht den Blutdruck erhöht. Das hat man früher einmal angenommen, das ist aber Unsinn. Deswegen dürfen Hochdruckkranke auch ruhig ihren Bohnenkaffee trinken, den man ihnen früher verboten hat. Ja –«, Dr. Bruckner griff nach dem Skalpell, das ihm Schwester Angelika reichte, »so rasch wechseln Dogmen und Lehrmeinungen in der Medizin! Noch bis vor kurzem hat die ganze feine Gesellschaft Margarine gegessen, ein Streichfett, das zu meiner Kindheit nur von armen Leuten gegessen wurde, weil es billiger war. Irgend jemand hatte ihnen eingeredet, daß Margarine gut gegen Arterienverkalkung sei. Die Margarineindustrie hat natürlich diese Meinung kräftig unterstützt.
    Aber dann kam die Butterindustrie! Die ließ sich nicht lumpen. Bald fand man heraus, daß ungesättigte Fettsäuren zwar den Cholesteringehalt senken, daß sie aber nicht wesentlich dazu beitragen, die Arteriosklerose zu verhindern. Jetzt darf man also wieder Butter essen. Genauso ist es mit dem Gewicht. Jahrzehntelang war der Twiggy-Typ gefragt. Je schlanker man sei, desto größer sei die Überlebenschance, glaubte man. Bis sich herausstellte, daß diese Auffassung aufgrund einer falschen Statistik entstanden war. Jetzt darf man sogar zehn Prozent mehr Übergewicht haben, um lange zu leben.«
    »Genauso war es doch bei dem Spinat«, warf Dr. Heidmann ein. »Da hatte sich einmal ein Professor, als er den Eisengehalt dieses Gemüses feststellte, um eine Kommastelle verrechnet. Damals entstand die Mär, daß der Spinat zehnmal mehr Eisengehalt habe, als er in Wirklichkeit aufzuweisen hat. Niemand rechnete nach, alle schwätzten das nach, was der Professor ihnen vorgerechnet hatte. Kinder wurden gezwungen, Spinat zu essen, damit sie genügend Eisen bekämen. Als man dann irgendwann einmal zufällig nachrechnete, fand man, daß Spinat viel weniger Eisen hat als andere Gemüse!«
    Er verstummte. Oberarzt Dr. Bruckner hatte mit der Operation begonnen. Ein schmaler, feiner roter Strich, einen Millimeter vom Wimpernrand entfernt, verlief quer über das untere Augenlid.

8
    Bärbel Linke hatte sich sehr auf Paris gefreut. Die Freude war noch größer geworden, als sich Axel Schneider angeboten hatte, sie zu begleiten. Es war seltsam, wie rasch sie diesen jungen Mann mochte. Er war ihr vom ersten Augenblick an sympathisch gewesen. Sie ließ die Reihe der Männer Revue passieren, mit denen sie in letzter Zeit zu tun gehabt hatte: Da war Peter Sartorius. Sie glaubte, daß sie ihn liebte. Und es war wohl auch Liebe gewesen, was sie für ihn empfunden hatte, sie hatte zwar keine anderen Vergleiche gehabt und wußte nicht, wie anders man sich in einen jüngeren Mann verlieben kann.
    Dann war Dr. Heidmann gekommen. Er war es gewesen, der die Initiative ergriffen

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