Seine junge Geliebte
hatte. Er hatte sie zu sich herübergezogen. Irgendwo hatte es bei ihr auch ›Klick‹ gemacht, als sie mit ihm ausging. Er war so ganz anders als Peter, jünger, spontaner, fröhlicher.
Aber dann war Axel gekommen. Sie hatte ihn nur angesehen und das empfunden, was in den Romanen immer wieder als Verliebtheit auf den ersten Blick bezeichnet wird. Noch niemals in ihrem Leben war ihr etwas Ähnliches passiert. Es war das Ideal eines Mannes, das sie eigentlich unbewußt immer gesucht, aber niemals gefunden hatte. Sie war überzeugt, daß sie ›ihren Märchenprinzen‹ endlich gefunden hatte.
Um so größer war nun die Enttäuschung, daß er nicht gekommen war. Er hatte sie versetzt, hatte sie wohl zum besten gehalten, machte sich jetzt vielleicht über sie im Kreise von Kameraden lustig. Und sie war dumm genug gewesen, auf ihn hereinzufallen.
Sie war froh, daß sie allein im Abteil saß. Sie hätte mit keinem Menschen reden mögen, eine banale Konversation hätte sie jetzt nicht ertragen.
Sie nahm ein Buch heraus, um sich ein wenig auf die ersten Interview-Fragen vorzubereiten. Sie versuchte darin zu lesen, aber es gelang ihr nicht. Ihre Gedanken wanderten immer wieder zu Axel ab. Welche Seite sie auch aufschlug, immer hatte sie das Gefühl, daß Axels Gesicht als Wasserzeichen in dem Papier eingeprägt war.
Da gab sie es auf, klappte das Buch zu und schaute auf die Strecke hinaus.
Der Himmel war blau. Sie fuhren gerade an einem blühenden Obstgarten vorbei. Die weißen Blüten sahen aus wie Schnee, den die Sonne vergessen hat wegzuschmelzen.
Bärbel seufzte. Wie schön würde es jetzt in Paris sein, wenn man zu zweit durch die Straßen ginge. Frühling in Paris! Hatten davon nicht alle Schriftsteller geschwärmt, die Dichter gesungen …
Die Lautsprecher ertönten: »Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Bonn.«
Bärbel lehnte sich zurück. Sie schloß die Augen. Die Müdigkeit überkam sie. Sie war gestern spät ins Bett gegangen und heute zu früh aufgestanden. Ihr fehlte der Schlaf. Sie versuchte, sich gegen die Müdigkeit zu wehren, die sich wie ein großer dunkler Mantel um sie legte. Ihr fielen die Augen zu. Sie hörte nicht, wie der Zug in Bonn hielt und wie er weiterfuhr. Sie träumte, daß Axel neben ihr säße, ihre Hand hielte …
Ein Rucken des Zuges weckte sie auf. Sie schaute auf. Sie wußte nicht, ob sie wirklich erwacht war oder ob sie immer noch träumte. Axel saß neben ihr! Er schaute sie an und lächelte, als sie ihre Augen auf ihn richtete. »Das nenne ich aber einen gesunden Schlaf!«
»Sind Sie es wirklich?«
Verwirrt strich sich Bärbel über die Augen, schüttelte sich, als wollte sie den Traum, der sie, wie sie glaubte, gefangenhielt, abwerfen. Aber Axel blieb neben ihr sitzen. Er griff jetzt nach ihrer Hand, genau, wie er es im Traum getan hatte.
»Es war nicht leicht, Sie zu finden. Ich bin durch den ganzen Zug gelaufen – ganz vorn habe ich angefangen. Ich wußte nicht, daß Sie in der ersten Klasse sitzen. Ich habe nur eine Karte zweiter Klasse!«
»Sie sind doch gekommen?« Bärbels Frage war ein Ausruf der Freude. Sie erwiderte den Druck seiner Hand. »Ich war schon ganz verzweifelt, weil Sie nicht da waren. Wo haben Sie denn gesteckt?«
Axel klappte die Lehne, die sich zwischen ihnen befand, in die Höhe und rückte ganz nahe an sie heran. »Ich habe verschlafen.« Sein Arm legte sich um ihren Nacken. Sie ließ es geschehen und genoß die wohlige Wärme seines Körpers.
»Als Wirt hat man immer noch eine ganze Menge zu tun, wenn die Gäste schon gegangen sind. Da wird abgerechnet und aufgeräumt. Außerdem mußte ich noch Dispositionen für die nächsten Tage treffen. Schließlich bleibe ich ja eine Weile fort. Und ich hatte eigentlich nicht diesen frühen Zug nehmen wollen. Ihretwegen bin ich gekommen.« Er zog sie leicht an sich. Sie ließ es widerstandslos geschehen, sie fühlte sich ganz geborgen in den Armen dieses Mannes.
»So habe ich halt verschlafen, ich bin noch –«, er nahm ihre Hand und führte sie an sein Kinn, »unrasiert.«
Sie ließ ihre Hand an seiner Wange, streichelte sanft darüber hinweg und lächelte. »Das macht nichts. Ich muß sagen, daß mich so ein leichter Stoppelbart angenehm berührt.«
»Wirklich?« Er fuhr sich selbst mit der Hand über sein Kinn und schmunzelte. »Ich komme mir dann immer noch schmutzig vor. Sie haben also nichts gegen einen bärtigen Mann?«
»Durchaus nicht! Ich …« Sie konnte nicht
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