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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ich den Vikar darauf hingewiesen, daß dadurch unerwünschtem Betragen Tür und Tor geöffnet sei. Aber er ist ein junger Mann und muß durch Erfahrung klug werden.«
    Er stieß die Tür auf. Ein merkwürdiger, dumpfer Geruch von altem Weihrauch, Feuchtigkeit und Öfen schlug ihnen beim Eintritt entgegen – gewissermaßen ein konzentrierter Hochkirchenextrakt. Die beiden blumengeschmückten und vergoldeten Altäre, die sich wie grelle Flecken in den düsteren Schatten der bedrückenden Architektur dieser kleinen normannischen Kirche ausnahmen, strahlten dieselbe widersinnige Atmosphäre aus. Das Warme und Menschliche wirkte hier exotisch und fremd, das Kalte und Abstoßende schien dagegen dem Ort und den Leuten angestammt zu sein.
    »Die Marienkapelle im Südschiff, wie Hancock sie nennt, ist natürlich neu«, sagte Mr. Frobisher-Pym. »Sie stieß auf großen Widerstand, aber der Bischof ist nachsichtig mit den Anhängern der Hochkirche – zu nachsichtig, denken manche – und was macht es schließlich aus? Ich kann meine Gebete genausogut verrichten, ob wir nun zwei Abendmahltische haben oder einen. Eins muß ich Hancock lassen: Er versteht es, mit den jungen Männern und Mädchen umzugehen. In diesem Zeitalter der Motorräder will es schon was heißen, wenn jemand ein Interesse für die Religion in der Jugend erweckt. Dieses Gestell in der Kapelle ist wohl für den Sarg des alten Burdock bestimmt. Ah! Hier kommt ja der Vikar.«
    Ein dünner Mann in einer Soutane trat aus einer Tür neben dem Hochaltar und kam mit einem großen, eichenen Kerzenleuchter in der Hand auf sie zu. Er hieß sie mit einem etwas berufsmäßigen Lächeln willkommen. Wimsey sah auf den ersten Blick, wen er vor sich hatte: einen ernsten, nervösen und nicht gerade hochintelligenten Mann.
    »Die Kerzenleuchter sind soeben erst gekommen«, bemerkte der Vikar nach der üblichen Vorstellung. »Ich fürchtete schon, sie würden nicht rechtzeitig eintreffen. Aber jetzt ist alles in Ordnung.«
    Er stellte einen der Leuchter neben das Gestell für den Sarg und steckte eine lange Kerze aus ungebleichtem Wachs auf die Messingspitze.
    Mr. Frobisher-Pym erwiderte nichts darauf. Wimsey hielt es jedoch für angebracht, ein gewisses Interesse zu bekunden.
    »Es ist höchst erfreulich«, meinte der so ermunterte Mr. Hancock, »wenn man sieht, daß die Leute sich wirklich für ihre Kirche zu interessieren beginnen. Ich habe eigentlich sehr wenig Schwierigkeiten gehabt, um Leute zu finden, die heute nacht die Totenwache halten. Wir haben acht Wächter, die zu zweit von heute abend um zehn Uhr – bis zu welcher Stunde ich im Dienst bin – bis morgen früh um sechs, wenn ich die Messe lese, wachen werden. Die Männer werden bis zwei Uhr auf ihrem Posten sein, dann lösen meine Frau und Tochter sie ab, und Mr. Hubbard und der junge Rawlinson haben sich bereit erklärt, die Stunden von vier bis sechs zu übernehmen.«
    »Was für ein Rawlinson ist das?« erkundigte sich Mr. Frobisher-Pym.
    »Mr. Graham Schreiber aus Herriotting. Er gehört zwar nicht zu dieser Gemeinde, ist aber hier geboren und hat seine Dienste angeboten. Er kommt mit seinem Motorrad herüber. Mr. Graham hat ja schließlich auch viele Jahre lang die Angelegenheiten der Familie Burdock verwaltet, und da wollte er wohl in irgendeiner Weise seine Achtung bezeugen.«
    »Na, ich hoffe nur, daß er seine Arbeit morgen früh verrichten kann, nachdem er sich die Nacht um die Ohren geschlagen hat«, brummte Mr. Frobisher-Pym. »Und was Hubbard angeht, so muß er ja wissen, was er tut. Es scheint mir allerdings eine merkwürdige Beschäftigung für einen Gastwirt zu sein. Nun, wenn's ihm Spaß macht und Sie damit zufrieden sind, läßt s ich nichts weiter dazu sagen.«
    »Sie haben hier eine sehr schöne alte Kirche, Mr. Hancock«, sagte Wimsey, der es nicht zum Disput kommen lassen wollte, ablenkend.
    »Sie ist wirklich sehr schön«, pflichtete ihm der Vikar bei. »Haben Sie schon die Apsis gesehen? Es ist selten, daß eine Dorfkirche eine so vollkommene normannische Apsis hat. Betrachten Sie sie einmal aus der Nähe.« Er schwatzte munter darauflos, als sie zum Altarplatz hinaufgingen, wobei er hin und wieder Wimseys Aufmerksamkeit auf hübsche Miserere - Stühle, eine schön gemeißelte Piscina oder herrlich geschnitzte Wandnischen lenkte. Wimsey half ihm dann noch, die übrigen Kerzenleuchter aus der Sakristei zu tragen. Sobald diese aufgestellt waren, verließ er mit Mr. Frobisher-Pym die

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