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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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laufen, wo gerade eines am lautesten brüllt. Dann zucke ich mit den Achseln. »Versuchen könnten wir es ja mal!«
    Ich erkläre Nadine den Plan, die sich genauso an die Stirn tippt wie ich. »Klappt nie!«, meint sie nur. Aber ich muss an einen anderen Tiereinsatz denken, der sich bis vor Kurzem immer wiederholte: Gänse auf der A 553 . Dort hatte ein Bauer seine Gänse nicht so ganz unter Kontrolle, und seit Wochen marschierten die immer mal wieder über den Seitenstreifen der Autobahn. Wochenlang hatten wir uns Verfolgungsrennen mit den Viechern geliefert, bis uns der Bauer erklärte, wir sollten einfach »Ab nach Hause« sagen, dann wüssten sie schon, was sie zu tun hätten. Auch in dem Fall tippten wir uns erst an die Stirn, bis wir feststellten, dass es funktionierte: Die Gänse zockelten tatsächlich brav in einer Reihe heimwärts, sobald wir mit dem Streifenwagen ankamen und über Außenlautsprecher »Ab nach Hause!« brüllten.
    Wer ernsthaft mit Gänsen spricht, um sie davon zu überzeugen, dass sie sich vom Acker machen sollen, dem sollte es auch nicht zu affig sein, die Sache mit dem blökenden Lamm wenigstens zu probieren. Also stürzen Nadine und ich uns ins Getümmel. Es dauert ein paar Minuten, bis ich eines der Lämmer zu fassen bekomme und mir unter den Arm klemmen kann. Aber dann sitze ich tatsächlich mit einem kleinen verängstigten Bündel auf dem Schoß im Streifenwagen, halte ihm das Funkgerät an die Schnute und zwicke es immer mal leicht, damit es blökt.
    Und oh Wunder – es funktioniert! Sobald das erste Blöken aus dem Außenlautsprecher schallt, geht ein Ruck durch die Herde, und vierhundert Schafköpfe starren dieses grün-weiße Monsterschaf mit der lauten Stimme an. Dann setzen sie sich in Bewegung.
    Nadine springt auf den Fahrersitz und fährt langsam los in Richtung Feldweg, ich auf dem Beifahrersitz, das blökende Lämmlein im Arm und die Schafe hinterher.
    Keine zehn Minuten später ist die Fahrbahn der A 1 wieder frei, und die Schafe sind wieder auf ihrer Weide. Den Zaun bessern wir notdürftig mit ein paar Abschleppseilen aus und liefern das Lämmlein bei seiner Mutti ab, die ich zum Glück vorher markiert hatte, indem ich ihr mit Sprühkreide, die eigentlich zum Markieren von Unfallspuren dient, ein grünes X auf das Fell gemalt hatte.
    Nachdem wir die Herde dem verlegenen Schäfer übergeben haben, der allerdings tatsächlich den Nerv hat durchzuzählen, ob auch alle Schäflein wieder da sind, steuern Nadine und ich die Wache an. Unter den hämischen Blicken der Kollegen verkrümeln wir uns, ordentlich nach Schafkot müffelnd, sofort in die Umkleide und richten unser Äußeres wieder her. Erst dann können wir von unserem großen Sieg über die gemeine Schafmeute berichten und sind in der Lage, die Lacher auf unsere Kosten lächelnd zu ertragen.

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen
2004
     
    Unter uns Polizisten gibt es zwei Gruppen: die Glückskinder und diejenigen, denen grundsätzlich die Scheiße an den Händen klebt. Ich gehöre seit meiner Ausbildung stets zur letzten Gruppe. Passiert irgendwo ein tödlicher Unfall, bin ich, sofern ich denn im Dienst bin, grundsätzlich die Erste vor Ort. Gäbe es Preise für die Beamtin, die die verrücktesten Einsätze bekommt, ich stünde garantiert mit auf dem Treppchen. Auch gibt es Kollegenkonstellationen, bei denen man genau weiß: Wenn die zwei in einem Auto sitzen, dann rappelt es immer irgendwo gewaltig.
    Aberglaube? Mag sein, doch es gibt tatsächlich diese Glückskinder, die in ihrer ganzen Dienstzeit noch nie eine eklige Leiche sehen mussten, die bei den blöden Einsätzen immer frei haben oder die gerade mit dem Streifenwagen am anderen Ende des Bereichs stehen, wenn es irgendwo eine Schlägerei gibt. Mit einem solchen Glückskind war ich damals unterwegs …
    Es ist kurz vor Feierabend. Die Kollegen und ich sitzen auf der Wache herum und warten darauf, dass die Zeit vergeht. Noch zehn Minuten, und wir können nach Hause gehen. Die ersten Kollegen der Ablösung ziehen sich bereits um, als plötzlich Hektik aufkommt und unser Chef durch die Wache flitzt.
    »Einer muss schnell noch mal raus, da liegt ein totes Wildschwein mitten auf der Fahrbahn!«
    Zwei Kollegen stehen murrend auf und fahren los, das Wildschwein von der Fahrbahn räumen, damit keiner mehr drüberrollt.
    Keine zwei Minuten später schallt erneut die Stimme unseres Vorgesetzten durch den Aufenthaltsraum.
    »Schnell noch wer raus, da soll jemand von

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