Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
und vielen toughen Frauen im Dienst ist es leider immer noch so, dass die Männer meist die besseren Fahrer sind. Ja, das muss ausgerechnet ich als Frau zugeben. Aber manche Tatsachen lassen sich einfach nicht leugnen.
Bei Tim und mir ist es eben umgekehrt, und so steige ich auf der Fahrerseite in den BMW ein. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich den Sitz auf mein Zwergenmaß eingestellt habe, dann aber rolle ich hinter den anderen Zivilwagen vom Hof der Wache Eschweiler.
Langsam verteilen wir uns. Jeder nimmt seinen Platz an einer der Ausfahrten an der A 4 ein, und dann beginnt das Warten. Tim beobachtet den Verkehr, während ich, wie so häufig, ein Buch lese.
Stunden vergehen, aber der Drogenkurier, den man uns angekündigt hat, scheint eine andere Strecke oder ein anderes Auto genommen zu haben. Die Zeiger der Uhr bewegen sich nur langsam weiter. Mittlerweile spielen wir, während ein Auge immer weiter den Verkehr beobachtet, gelangweilt Karten, haben eine ganze Packung Kekse gegessen, wurden den uniformierten Kollegen als »verdächtiges Fahrzeug« gemeldet und werden vom Geräusch der vorbeifahrenden Autos und vom angestrengten Blick auf ihre Kennzeichen ganz rammdösig.
Endlich die Erlösung: »Gut, Kinder, wir brechen ab, der kommt heute nicht mehr. Morgen auf ein Neues!«
Seufzend will ich den Motor anlassen, als sich die Leitstelle meldet und sehr bestimmt nachfragt, wo wir uns befinden. Tim gibt unseren Standort durch und fragt vorsichtig: »Warum?« Eigentlich werden wir beim zivilen Einsatztrupp mit Einsätzen gänzlich verschont und brauchen uns um Unfälle, Verkehrsbehinderungen und Ähnliches auf der Autobahn nicht zu kümmern. Unsere Observationsaufgaben und die Kontrollen im Hinblick auf Betäubungsmittel, Diebesgut und illegale Einwanderer lasten uns genügend aus.
»In Frechen ist gerade ein Mercedes SLK entwendet worden, Brabus-Tuning, ziemlich teures Teil. Mein Bauchgefühl sagt mir, der fährt direkt über die A 4 Richtung Niederlande. Bleibt mal da, wo ihr seid.«
Der Funker gibt die Beschreibung durch, und wir alle haben gelernt, dass das Bauchgefühl eines Kollegen in den meisten Fällen viel wert ist. Also bleiben wir auf unserem Posten, genau wie vier andere Zivilfahrzeuge, die sich eigentlich gerade auf den Heimweg machen wollten.
Es dauert keine zehn Minuten, als die Meldung eines Streifenwagens kommt. »Der gestohlene SLK hat uns gerade passiert. Wir versuchen dranzubleiben, aber der ist verdammt schnell. Kommt in eure Richtung!«
Stille am Funk, dann der nächste Funkspruch: »Haben Sichtkontakt verloren! Fährt mit etwa 240 km/h.«
Mein Blick fällt auf den Tacho unseres BMW . Er geht bis 260 . Dann rechne ich im Geiste, wie lange der gestohlene Wagen ungefähr braucht, bis er bei uns ist, und rolle, als ich mit dem Rechnen fertig bin, los. Und da kommt auch schon die Meldung des Zivilwagens an der Ausfahrt vor uns: »Fahrzeug gesichtet!« Ich trete aufs Gas und bin einerseits glücklich, dass ich heute ein Auto mit starkem Motor habe. Andererseits nervt es mich, dass ich das Auto kaum kenne und nicht weiß, wo es seine Grenzen und Schwachstellen hat.
Als der Mercedes in unserem Rückspiegel auftaucht und dann links an uns vorbeizieht, klatscht Tim freudig in die Hände: »Schnapp ihn dir, Janine!«
Ich trete das Gaspedal durch und beschleunige, während Tim die Titelmelodie von »Bad Boys« summt. Wir fliegen dem gestohlenen Fahrzeug hinterher, noch nicht als Polizisten erkennbar.
Im Rückspiegel erkenne ich die beiden Kollegen, die ihn zuerst gesehen haben. Am Rastplatz Aachener Land bemerke ich, dass zwei weitere Zivilfahrzeuge des Einsatztrupps kurz vor dem Mercedes auf die Autobahn rasen. In der nächsten Baustelle sollten wir ihn haben. Dort wird die Strecke zweispurig, und es ist ein Leichtes, die Autobahn kurz dichtzumachen, ihn aus dem Auto zu holen und dann weiterzufahren. Die beiden Fahrzeuge der Kollegen vorne werden auch schon langsamer. Hinter ihnen fährt der Mercedes, dahinter rasen Tim und ich und neben uns ein weiterer Wagen.
In der Baustelle stoppen die vorderen Zivilfahrzeuge wie vorgesehen urplötzlich. Die Kollegen springen aus den Autos, rennen auf den gestohlenen Wagen zu, doch der Fahrer des Mercedes ist abgebrühter als erwartet. Nach einer Schrecksekunde hat er sich offenbar wieder gefangen und einen Ausweg aus der Situation gefunden. Mit durchdrehenden Reifen startet er nach rechts durch und brettert in die Baustellenabsperrung. Die
Weitere Kostenlose Bücher