Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
leiere weiter meinen Text herunter: »Gehen Sie zum Amtsgericht, holen Sie sich eine einstweilige Verfügung, dass er nicht in Ihre Nähe darf. Ich gebe Ihre Daten an eine Beratungsstelle weiter, das kennen Sie ja schon.«
»Beratungsstelle. Pah!« Frau Blumfeld schnaubt verächtlich. »Lauter verknöcherte alte Weiber, die nicht mal den Ansatz einer Ahnung von wahrer Liebe haben. Und die wollen mir sagen, was ich tun soll! Vertrocknete Fotzen sind das!«
Ich seufze. »Frau Blumfeld, so geht das doch nicht weiter. Diesmal sind es Ihre Hände, letztes Mal hat er Ihnen mit einer Glasscherbe das Gesicht zerschnitten!« Ich deute auf die noch gut sichtbare Narbe auf ihrer Wange. »Was kommt denn als Nächstes?«
Sie blickt mich an. »Sie haben gut reden. Gucken Sie sich doch mal an. Sie können sich aussuchen, wer Sie liebt. Aber ich? Ich hab keine Kohle, ich bin nicht schön, ich hab das unerträgliche Balg am Hals. Ich muss nehmen, was kommt, und mein Mann liebt mich. Sonst würde er ja gar nicht so ausrasten.«
Ich versuche gar nicht erst, ihre verdrehte Logik zu verstehen, zucke mit den Achseln und beschließe zu gehen. Entscheide mich dann aber doch anders und lege ihr noch einmal die Hand auf die Schulter. »Frau Blumfeld, niemand hat es verdient, dass er geschlagen oder verletzt wird. Aber wir können Ihnen nicht helfen, wenn Sie ihn immer wieder in die Wohnung lassen!«
Trotzig starrt sie mich an: »Ich will Ihre Hilfe auch gar nicht!«
Zum x-ten Mal drücke ich ihr den Flyer für Gewaltopfer mit den Telefonnummern von Beratungsstellen in die Hand und verabschiede mich dann. »Frau Blumfeld, denken Sie darüber nach. Ich will hier nicht herkommen, und irgendwann hat er es mal zu weit getrieben!«
Sie nickt stumm und knallt dann die Tür hinter mir zu.
Zwei Wochen später sitze ich auf der Wache und höre am Funk, wie die Leitstelle einen Streifenwagen zu Blumfelds schickt. »Der Blumfeld hat schon wieder seine Frau verdroschen, die Nachbarn hören Gebrüll im Hausflur.«
Der Funker dreht sich zu mir und meiner heißen Pizza um: »Und ich dachte schon, der letzte Vorfall hätte Eindruck auf die Frau gemacht! Fahrt Ihr eben mit, falls der wieder so austickt?«
Ich klappe den Deckel der Pizzaverpackung zu und gehe mit meinem Kollegen Torsten zum Streifenwagen.
»Was ist? Du guckst so komisch«, fragt er mich, als wir losfahren.
»Ist es herzlos, dass ich mir jetzt grade mehr Gedanken darüber mache, dass meine Pizza kalt wird, während wir uns schon wieder mit dem Kerl prügeln dürfen, als darum, wie es Frau Blumfeld geht?«
Er lächelt mich an: »Glaub mir, irgendwann wird auch sie verstehen, dass das mit Liebe nichts zu tun hat!«
»Hoffentlich noch rechtzeitig! Bevor …« Ich beende den Satz nicht, greife in den Fußraum und wühle in dem Pizzakarton herum, den ich dort deponiert habe.
»Was machst du da?«
»Na, glaubst du, ich lasse für jemanden, der sich eh nicht helfen lassen will, meine Pizza kalt werden?« Ich fische eines der Stücke heraus und beiße genüsslich ab, während Torsten mich mit Blaulicht und Martinshorn durch die Straßen zu Familie Blumfeld chauffiert.
Kurz nach dem ersten Streifenwagen erreichen wir die Wohnung. Frau Blumfeld hält sich den Arm und hat diesmal den Abdruck des heißen Bügeleisens mitten auf dem Dekolleté. Kleinlaut sieht sie mich an. »Ich glaube, Sie hatten recht.«
Ich nicke und schlucke den letzten Bissen Pizza herunter. »Ich habe leider häufig recht! Und was machen wir jetzt?«
Sie schweigt, aus dem Wohnzimmer höre ich die Kollegen, die Herrn Blumfeld diesmal davon überzeugen wollen, freiwillig die Wohnung zu verlassen.
»Vielleicht sollte ich diesmal gehen?«, haucht sie leise und kraftlos.
Meine Augenbrauen wandern hoch Richtung Haaransatz. Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig gehört habe. »Warum? Ist ja nicht so, dass Sie ihn geschlagen haben!«
Sie nickt, und dann sagt sie endlich zwei Sätze, die mir zeigen, dass meine Ansprache offenbar doch etwas bewirkt hat: »Ich komm so nicht von ihm los. Ich muss hier raus!« Ich nicke stumm und warte, dass sie weiterspricht. »Ich hab ja sonst niemanden. Aber ich war bei dieser Beratungsstelle. Wie Sie gesagt haben.« Erst jetzt sehe ich den zerrissenen Flyer auf dem Flurboden liegen. Sie lächelt zögerlich: »Ich hab Ihnen da ausnahmsweise mal zugehört! Die haben gesagt, ich könnte in ein Frauenhaus, und Justin kann auch mit.«
» ICH WILL ABER BEIM PAPA BLEIBEN !«, kreischt
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