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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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Kraft ankommt (das Hochheben von toten Wildschweinen oder Gullydeckeln beispielsweise). Ist kein Mann zur Stelle, bedeutet das für uns Frauen Erfindungsreichtum oder eben eine schweißtreibende Arbeit. Alles in allem haben wir »Hühner« aber noch alle an uns gestellten Anforderungen erfüllen können, und im Zweifel fordern wir eben Verstärkung an, genauso, wie die Jungs das machen, wenn sie an ihre Grenzen stoßen. Da gibt es nämlich auch bei der Polizei ein paar Herren, die nicht ganz so muskelbepackt und durchtrainiert sind.
    Aber auch die männlichen Kollegen wünschen sich hin und wieder eine Kollegin, sei es, um eine weibliche Delinquentin zu durchsuchen, das Opfer eines Sexualdelikts einfühlsam zu betreuen oder einfach nur da zu sein, damit die gewitzte Straftäterin sich nicht nachträglich überlegt, dass die beiden Herren, die sie zur Zelle geleitet haben, sie auf unsittliche Art berührt haben könnten.
    Mangels eigener Erfahrung kann ich nicht sagen, ob die Arbeit in einer ländlichen Polizeibehörde, in der man vielleicht als eine von wenigen Frauen einer großen Mannschaft von Männern gegenübersteht, sich stark von der in einer städtischen Polizeiwache unterscheidet. Das eine Jahr, in dem ich als eine von drei Frauen meinen Dienst auf der Autobahnpolizeiwache Eschweiler versah, inmitten einer Schar von deutlich älteren männlichen Kollegen, habe ich jedoch in bester Erinnerung. Mit »meinen Jungs« dort hatte ich eine unheimlich lehrreiche und gute Zeit und fühlte mich bei den diensterfahrenen Herren immer gut aufgehoben und verstanden.
    Natürlich muss man sich als Polizistin, wenn man auf eine neue Dienststelle kommt, erst einmal bewähren und beweisen, bevor die Kollegen einem das uneingeschränkte Vertrauen entgegenbringen, das man für den täglichen Dienst braucht. Man muss zeigen, dass man zupacken kann und vor nichts fies ist, und das Prinzesschen sollte man besser nicht heraushängen lassen. Aber sich beweisen müssen auch junge männliche Kollegen, wenn sie sich in einer Dienstgruppe neu einfinden.
    Klar, auch Männer lästern gerne, auch bei Männern gibt es so etwas wie Zickenalarm, und auch bei ihnen herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Hier und da muss ich als Frau auch schon mal ein paar deutliche Worte sagen, um die Fronten zu klären und den Jungs klarzumachen, dass sie es keineswegs mit einem dummen kleinen Blondchen zu tun haben, auch wenn ich vielleicht so aussehen mag. Aber gerade dazu sollte ich als Polizistin in der Lage sein. Schließlich bekomme ich es tagtäglich mit Menschen zu tun, denen gegenüber ich Souveränität und Respekt ausstrahlen muss. Und wenn mir das den Kollegen gegenüber schon nicht gelingt, wie will ich das dann dem Ganoven Ede gegenüber hinbekommen? Ich würde deshalb jeder jungen Frau, die mit dem Gedanken spielt, Polizistin zu werden, immer raten, es zu versuchen, sich keine Zweifel von anderen einreden zu lassen und einfach ein bisschen Vertrauen in sich selbst zu haben. Grundsätzlich hab ich mich bisher trotz meiner Körpergröße, meiner Zierlichkeit und vielleicht auch gerade wegen meiner frechen Schnauze noch überall durchsetzen können. Hier und da habe ich mir mit meiner häufig etwas direkten Art nicht unbedingt Freunde gemacht, aber wer will schon Everybody’s Darling sein?
    Wenn ich mich heute an die Worte des Einstellungsberaters erinnere, der meinte: »Das schafft das Mädchen sowieso nicht!«, dann kann ich nur sagen: Das Mädchen hat es sehr wohl geschafft, und es schafft es immer noch – lächelnd und mit Freude, jeden Tag!
    Aus meiner heutigen Sicht auf dreizehn Jahre Polizeiarbeit kann ich sagen: Die Polizei ist gefühlsbetonter geworden, ein bisschen weicher, zugänglicher. Vielleicht auch gerade deshalb, weil mehr Frauen dabei sind. Die männlichen Kollegen trauen sich heute eher, sich Schwächen einzugestehen, zuzugeben, dass gewisse Einsätze sie belasten und dass man unter dem Eindruck besonders schlimmer Anblicke auch einfach mal nur traurig ist. Uns Frauen gegenüber muss kein männlicher Kollege den Schein des harten Kerls wahren, wenn ihm eigentlich nur zum Heulen zumute ist.
    Etwas Schlechtes kann ich daran beim besten Willen nicht finden.

Verreck, du alter Sack!
2011
     
    Eines Morgens sind meine Kollegin Sonia und ich gemeinsam auf Hühnerstreife – ein Tag, an dem ich feststellen werde, dass es auch in einer scheinbar heilen Vorortgesellschaft Abgründe gibt, die so tief sind, dass einem vom Blick hinein

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