Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
sicherlich ein nicht ganz unerheblicher Eingriff in die eigenen Rechte. Umso mehr kann ich verstehen, dass viele dieses Rückkehrverbot einfach nicht verstehen wollen und wir dann erneut gerufen werden, um die Ordnung wiederherzustellen.
Ich knie mit beiden Beinen auf den Schultern von Herrn Blumfeld und versuche mit aller Kraft, ihn auf dem Boden zu halten. Gar nicht so leicht, denn Herr Blumfeld wiegt ungefähr das Doppelte von mir und ist außerdem leider schrecklich gut trainiert. Ein Kollege liegt quer über seinen Beinen, damit sie nicht mehr unkontrolliert herumzappeln können, und zwei weitere Kollegen versuchen, ihm Handfesseln anzulegen, was nach etlichen Versuchen dann endlich gelingt.
Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. Wir waren, wie so häufig in den letzten Monaten, zu Blumfelds gefahren, hatten wie immer eine aufgelöste Frau Blumfeld mit diversen kleineren Verletzungen vorgefunden, während Herr Blumfeld stumpf vor dem Fernseher im Wohnzimmer hockte. Da wir von Herrn Blumfelds Sportlichkeit mittlerweile wissen, sind wir direkt zu viert aufgeschlagen. Das wirkt zwar nicht unbedingt deeskalierend, ist aber einfach besser, wenn er doch mal wieder ausrasten sollte.
In der Küche habe ich mir Frau Blumfelds Geschichte angehört, während sie den Arm um ihren achtjährigen Sohn Justin gelegt hat, der immer wieder kräht: »Die Mama hat’s verdient, die hat den Papa profiziert!«
Man hatte sich gestritten, über eine Nichtigkeit, dann war Herr Blumfeld aggressiv geworden, hatte seiner Frau eine geschallert und ihre Hände auf die heißen Herdplatten gedrückt. Wegen ihres Geschreis hatten die Nachbarn die Polizei verständigt, und da sind wir nun. Haben festgestellt, dass Herr Blumfeld eigentlich gar nicht in der Wohnung sein dürfte, da sein Rückkehrverbot seit der letzten häuslichen Streitigkeit noch nicht verstrichen ist.
Darauf angesprochen, rastet er komplett aus.
Er baut sich vor mir auf und brüllt mich an. Ich möchte wirklich mal gerne wissen, warum alle immer mich anbrüllen. Vielleicht, weil ich so klein und dadurch scheinbar das schwächste Glied bin? Keine Ahnung, auf jeden Fall steht er brüllend vor mir. Wir hätten ihm gar nichts zu verbieten, das hier sei seine Bude, seine Frau, und er könnten hier tun, was sie wollten! Da würden auch wir Bullen nichts dran ändern.
Tapfer bleibe ich während seiner Tiraden stehen und warte, bis die Kollegen sich in Position gebracht haben. Zwei Sekunden später finden wir uns in jener eingangs beschriebenen Position auf dem Boden wieder.
Während ich immer noch auf Herrn Blumfeld knie und ihn am Aufstehen hindere, versuche ich gleichzeitig, seine Frau im Auge zu behalten, die dummerweise zu Sympathiebekundungen neigt, wie wir aus Erfahrung wissen. Sobald wir nämlich Hand an ihren Mann legen, ist er plötzlich der Unschuldsengel, und wir sind die bösen Bullen.
Diesmal hält sie sich jedoch ausnahmsweise im Hintergrund und betrachtet lediglich ungläubig ihre mit dicken Brandblasen übersäten Finger und Handteller und hält sogar den Sohnemann zurück, der immer wieder kreischt: »Der Papa hat nichts gemacht!«
Während die Kollegen schließlich mit Herrn Blumfeld, der leider auch im gefesselten Zustand noch recht sperrig zu transportieren ist, die Treppen runterstolpern, bleibe ich in der Wohnung und versuche zu klären, warum er eigentlich schon wieder hier war. Doch eine weitere Erklärung als »Wir lieben uns halt!« ist aus Frau Blumfeld nicht herauszubekommen.
»Seltsame Liebe«, murmele ich wohl etwas zu laut. Denn sie springt von ihrem Stuhl auf.
»Was wollen Sie schon wissen!«, schnauzt sie mich an. »Sie glauben wohl, nur weil er mich ab und an prügelt, hätten Sie hier den Durchblick! Aber Sie wissen gar nichts!«
Ich nicke geduldig, ignoriere ihren Einwurf und leiere mein Sprüchlein runter: »Frau Blumfeld, Ihr Mann schläft heute Nacht bei uns, bis er sich wieder beruhigt hat. Das Rückkehrverbot gilt noch drei Tage, daran muss er sich halten. Der erste Verstoß kostet ein Zwangsgeld von fünfhundert Euro, der nächste tausend Euro, und sollten wir ihn dann noch mal hier erwischen, kommen weitere fünfhundert Euro obendrauf, ob Sie ihn nun bei sich haben wollen oder nicht. Er darf nicht in diese Wohnung!«
»Wer hier in die Wohnung darf, entscheide ja wohl ich!« Sie stemmt die Hände in die Hüften und zuckt im selben Moment zusammen, weil die Verbrennungen so schmerzen.
Wieder ignoriere ich ihren Einwand und
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