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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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will ich kein Wort mehr hören. Wir helfen Ihrem Mann ja, helfen Sie uns, indem Sie uns nicht ablenken!«
    Augenblicklich herrscht auch dort Ruhe, nur noch ein leises Schniefen ist zu hören. »Hat Ihr Mann Medikamente fürs Herz oder ein Spray oder so was?«, höre ich Sonia.
    Kluge Frage, schießt es mir durch den Kopf, während ich wieder meinen Atem in die Lunge des Mannes puste und mit einem Finger überprüfe, ob sein Puls zurückgekehrt ist.
    »Nein«, höre ich die leise Antwort der Dame. Dann ist Sonia wieder bei mir, übernimmt wortlos die Herzmassage, während ich Atem hole, ihm anschließend wieder Luft in die Nase blase und seinen Mund dabei kräftig zudrücke.
    »Wir schaffen das, Sie sterben uns nicht weg! Kommen Sie schon, wir sind bei Ihnen!«, spreche ich zwischen den Atemzügen mit ihm und bin so auf meine Arbeit konzentriert, dass ich die Sanitäter und den Notarzt erst wahrnehme, als sie mich zur Seite schieben und die Reanimation übernehmen.
    »Wie lange schon?«, fragt der Notarzt knapp. Ich sehe auf die Uhr und bin mir sicher, dass wir mindestens eine halbe Stunde an ihm gearbeitet haben. »Dreizehn Minuten!«, antworte ich schließlich verwundert.
    »Vorerkrankungen?«
    »Keine Ahnung, er ist während eines Streits einfach zusammengebrochen!« Erschöpft wische ich mir die Haare aus dem Gesicht.
    Der Notarzt nickt, leuchtet ihm in die Augen, gibt die Anweisung weiterzumachen und scheucht uns weg.
    Sonia und ich gehen zu der alten Dame, die jetzt wimmernd auf ihrem Terrassenstuhl sitzt.
    » MÖRDER !«, zischt sie in Richtung der Gartenmauer, und ihr Blick ist so hasserfüllt, dass ich meine Schritte automatisch verlangsame.
    »Frau Schraiber« – ich habe das Namensschild an der Türklingel entziffert –, »was genau ist hier überhaupt vorgefallen? Sollen wir nicht reingehen? Ich bin mir sicher, der Notarzt kümmert sich gut um Ihren Mann!«
    Ich würde sie gern weglotsen, damit sie nicht weiter mit ansehen muss, wie an ihrem Mann gearbeitet wird. Wieder trifft mich ihr hasserfüllter Blick. »Das sind MÖRDER !« Dann werden ihre Augen trüb, und sie schaut traurig in die Ferne. »Mein Werner war ein guter Mann! Das mit den Nägeln auf der Straße war doch nur, weil die Jungens hier immer so rasen, und unser Kater ist doch vor ein paar Wochen von den Rowdys überfahren worden!« Sie bricht in Tränen aus.
    »Ich mach das schon«, sagt Sonia, »kümmere du dich um die Brut nebenan. Die nagele ich sonst aus Versehen an die Wand!«
    Meine Kollegin drückt sich an mir vorbei, kniet neben der Dame nieder und streichelt ihre Hand. »Haben Sie jemanden, den wir anrufen können, damit er zu Ihnen kommt?«
    »Meinen Sohn!« Ihre Stimme ist jetzt leise und kraftlos. Nichts erinnert mehr an die keifende Furie, die eben noch auf der Terrasse herumtobte.
    Ich drehe mich um und springe mit Schwung über den Zaun in den Nachbargarten. Dabei berühren meine Knie den feuchten Stoff an meiner Uniformhose. Kurz steigt Ekel in mir auf, dann schiebe ich den Gedanken weg. Umziehen kann ich mich später auf der Wache. Jetzt sind erst mal die Jungs dran.
    Lachend stehen sie auf der weiß gekiesten Auffahrt des Hauses. »Na, ist er endlich verreckt?« Sie stoßen sich an und kichern.
    Meine Hände zucken und ballen sich zu Fäusten. Noch nie war meine Lust, jemandem so richtig ins Gesicht zu schlagen, so groß wie in diesem Moment. Ich muss alle Willensstärke aufbieten, die Fäuste in den Taschen meiner braunen Dienstjeans zu versenken und mich zusammenzunehmen.
    »Jetzt reißt euch mal am Riemen, und erinnert euch an eure Kinderstube. Wie führt ihr euch eigentlich hier auf? So was Erbärmliches wie euch hab ich ja selbst im asozialsten Chorweiler noch nicht erlebt! Da drüben stirbt ein Mensch, und ihr habt nichts Besseres zu tun, als alberne Gesänge von euch zu geben. Ihr widert mich an!«
    Endlich scheint ihnen aufgegangen zu sein, welches Bild sie abgeben. Betreten schauen sie zu Boden, und ich will gerade, zufrieden mit der Wirkung meiner Ansprache, nach ihren Personalien fragen, als einer den Kopf hebt und in Richtung des Notarztes schreit: » LASS IHN VERRECKEN , DIE SAU HAT ’S VERDIENT !«
    Mein Arm schießt vor und drückt den Burschen gegen den Zaun. Er ist zu perplex, um sich zu wehren, und schaut mich nur verblüfft an.
    » RUHE JETZT !«, zische ich laut und vernehmlich. »Noch ein Wort, und wir klären eure Rolle bei diesem Vorfall auf dem Präsidium und nicht hier!« Meine Stimme zittert vor

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