Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
durchsehen, verwerfliche Kinderfotos und Filme markieren und auf einem besonderen Ort zwischenspeichern.
Der Kollege klickt sich fast teilnahmslos durch die Fotos. Viel nackte Haut, Lack und Leder, Pornobilder jeglicher Variation sind auf den Bildschirmen zu sehen. Das eine oder andere entlockt mir ein schiefes Grinsen, hier und da reiße ich, die ich durchaus nicht prüde bin, dann doch schockiert die Augen auf.
»Na ja, es sind halt auch normale Sachen dabei, die nicht verboten sind«, erklärt Tom und klickt immer weiter. »Da klickst du dich einfach durch. Man gewöhnt sich dran. Du glaubst gar nicht, was für kranken Kram wir auf den Rechnern finden. Aber solange die Leute alt genug sind, ist das für uns uninteressant. Wenn du was fürs Urheberrecht findest, also gebrannte Filme oder so, markierst du sie ebenfalls, die gehen dann in ein anderes Kommissariat.«
Ich nicke mechanisch, ohne den Blick von den Bildschirmen zu lösen.
»Und noch was: Mach Pause, sooft du willst. Wir wissen, wie beschissen es ist, hier im Dunkeln zu sitzen, mit dem ganzen Dreck da.« Sein Arm wischt durch die Luft und landet auf der Maus. »Ah, das hier ist was …!«
Zwei Mausklicks, und auf dem größten Bildschirm flackert ein Bild auf. Ein Mann hält ein etwa vierjähriges schreiendes Mädchen fest, während ein Zweiter sich an ihm vergeht. Ich schlucke.
»Das brauchst du dir dann auch gar nicht genau anzusehen. Einfach markieren …« Tom tippt Befehle in die Tastatur, während ich wie gebannt und angeekelt auf den Bildschirm starre. Das Kind schreit offenbar wie am Spieß, doch der Ton des PC s ist ausgeschaltet.
»Wir haben hier alle den Ton aus. Das kann man sich nicht geben, ist so schon schlimm genug.«
Ich nicke stumm und stiere weiter auf den Bildschirm. Eine Messerklinge blitzt auf, senkt sich in den Hals des Kindes, Blut spritzt durch den Raum und auf das Objektiv der Kamera.
Mir wird schlagartig heiß, ich merke, wie mir der Magensaft die Speiseröhre hochsteigt. »Toilette?«, presse ich atemlos hervor.
»Auf dem Gang, zwei Türen weiter.«
»Danke!« Ich renne los, werfe die Klotür hinter mir zu, falle auf die Knie und kotze in die Schüssel.
Fünf Minuten später lasse ich mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen und schaue in den Spiegel. »Was für Schweine schauen sich so einen Dreck an?«
Ziemlich blass taumele ich zurück in mein Büro. Tom schaut mich betreten an. »Sorry, wir stumpfen hier ein bisschen ab. Ich hätte dich warnen sollen.«
Ich hebe abwehrend die Hand. »Schon gut.«
Er grinst schief. »Ich kann dich aber beruhigen. Der Film, den du dir da grad angesehen hast, ist ein Fake. Ein gut gemachter, aber ein Fake.«
Er spult zurück und zeigt mir die Stellen, an denen ich erkennen kann, dass dem Kind tatsächlich nicht die Kehle durchgeschnitten wurde. Zu erkennen ist das daran, dass das Blut aus der falschen Richtung spritzt. »Ändert aber nichts. Ist genauso verboten und widerlich. Kommst du hier parat, oder musst du noch was wissen?«
Ich zucke mit den Achseln. »Wird schon schiefgehen. Wo habt ihr den ganzen Kram denn her?«
»Wohnungsdurchsuchungen, aufmerksame Ehefrauen, die seltsames Zeug auf den Rechnern ihrer Männer finden, oder Tipps aus dem Internet. Manchmal finden auch die Kollegen zufällig was, wenn sie eigentlich nach was ganz anderem suchen.«
Ich atme tief durch, lasse mich auf den Stuhl fallen und betrachte die unermessliche Datenmenge, die da an der Wand aufgestapelt ist. »Ist das alles, was ihr habt?«
Tom lacht trocken. »Wovon träumst du nachts? Komm mal mit!«
Zögernd folge ich ihm über den Gang in ein weiteres Büro. Ein etwa fünfzehn Quadratmeter großer Raum, vom Boden bis zur Decke voll mit Speichermedien, Computern, Laptops, Kisten mit CD s und DVD s – alles, was das Hackerherz begehrt.
»Wenn du deinen Berg fertig hast, kannst du hier weitermachen«, meint Tom und grinst. »Aber ich bezweifle, dass du so weit kommst. Und wir kriegen jeden Tag neues Zeug rein.«
Wie auf Bestellung kommt uns auf dem Gang eine Kollegin mit einem Handkarren entgegen. Zwei PC s und drei Laptops plus mehrere große Festplatten stapeln sich darauf. »Hier kommt schon Nachschub!« Freundlich hält sie mir die Hand hin. »Ich bin Bianca! Du bist also unsere neue Sklavin für die nächsten Wochen? Viel Spaß!« Mit diesen aufmunternden Worten verschwindet sie hinter den Mauern aus Kisten.
Langsam gehe ich zurück in meine Dunkelkammer, wie ich das Büro im
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