Seine Zeit zu sterben (German Edition)
Küche, warf es vielleicht sofort in den Mülleimer. Es spielte keine Rolle, die Geste zählte, der Überfluss, der Überdruss. Der Rauch setzte sich in allen Kleidern fest.
»Da, der Mayer, beste Zwischenzeit! Bärenstark!«, doch ehe Hohlbäumler weiter triumphieren konnte, hatte Mayer schon so viel an Zeit verloren, dass er nur noch um ein respektables Ergebnis fuhr, vor allem im unteren Teil verlor er deutlich seine Linie. »15ter, immerhin.«
Hohlbäumler fühlte sich isoliert, irgendetwas lief gegen ihn. Jetzt war auch Joseph verschwunden. Nein, er telefonierte, dort in der Ecke. Er wirkt nervös, so nervös wie sonst nie.
»Da, der Deutsche, diese Niete, 25ster! Zwei Sekunden zurück, zwei Sekunden!«, jubelte Hohlbäumler in den Raum, als könne der Deutschenhass sie alle verbinden. Doch keiner beachtete ihn, er war Luft, parfümierte Luft. »Der Innerhofer, der ist noch für eine Überraschung gut. Der hat eine Wut im Bauch, weil sie ihn rückversetzt haben nach dem Training. Nur weil er nach seinem Sturz weitergefahren ist, so ein Unsinn. Hat gleich den Rücktritt der FIS -Funktionäre gefordert. Südtiroler Dickschädel. Sind ja auch Tiroler die Südtiroler, wie wir, egal wie ein Tiroler gewinnt heute, wir sind die Gewinner«, streckte er sein Glas in die Höhe. »Was sag ich, da, Wahnsinn, 18 Hundertstel vor der Bestzeit! Wie der das da oben meistert, irre. Da! Mist, jetzt hat er die Einfahrt ins Gleitstück verpatzt, da wird er Geschwindigkeit verlieren, das sind kostbare Hundertstel, das holt er nicht mehr ein, die Piste unten ist auch nicht mehr optimal, nein, das wird nichts mehr, schade, dabei hatte der doch so eine Wut im Bauch, was für eine Wut …«
Hohlbäumler kippte den Champagner wie Wodka in einem Zug hinunter, goss sich neu ein. »Auf Paris! Die Stadt der Liebe«, er schwankte, Ruinart Rosé, »nein, auf den Dominik Paris natürlich, den Streifsieger! Und auf den Reichelt, Hannes, und auf Kitzbühel und das berühmteste und schwerste Rennen der Welt!«
Er stolperte und kippte über den Schemel vor ihm. Nun hatten ihn endlich alle wieder wahrgenommen, lachten, hoben die Gläser und halfen ihm auf. »Auf die Streif!«, hallte es, und Hohlbäumler leckte sich das Blut von den Fingern, suchte den Glassplitter, der ihm unter die Haut gefahren war.
»Wir waren betrunken, ich, ja, natürlich habe ich gesagt«, Joseph drängte sich in die Ecke, hielt die gewölbte Hand um das Handy, sondierte mit den Augen den Raum, ob jemand ihn hörte oder, schlimmer noch, seinen Gesprächspartner. »Ich kann Sie vertreten, ja, verteidigen, Sie müssen mir nur sagen, was, haben Sie etwa, Sie sagten, haben Sie etwa, Sie haben doch nicht, den, den Jungen?« Joseph hustete, ihm wurde schlecht, Eiweißschock, Restalkohol, Frischalkohol. »Haben Sie? Natürlich nicht am Telefon, nein, ich bin nicht in der Kanzlei, nein, gut. Im Sonnbühel, Sie kommen dort hin. Wollen wir nicht lieber? Gut. Bitte unterlassen Sie …, das ist…, Sie wissen es! Ich möchte es hier nicht aussprechen …, ich …, ich flehe …, flehe Sie an …, ein … Gut, im Sonnbühel um zwei, wenn Sie mir versprechen … Hallo?«
Aufgelegt. Das ist ein Irrer, der verarscht mich!, versuchte sich Joseph zu beruhigen, aber sein Magen zog sich zusammen, als wäre ihm das Herz in den Magen gerutscht und der krümmte sich jetzt, umschloss es jetzt wie eine Lawine einen Verschütteten.
»Vladimir?«, rief Joseph. »Vladimir?«, aber er fand ihn nicht, er war nirgends zu sehen, sie hatten nicht über das Hotelprojekt gesprochen, weshalb er gekommen war. Er blickte zu Hohlbäumler, der jetzt von drei Blondinen umringt die Streif mit seinen kurvenden Händen hinunterjagte. Joseph verwarf die Idee und wandte sich an einen der Bediensteten. »Sagen Sie bitte Vladimir meinen Dank, ich musste leider überraschend los, es tut mir sehr leid, es war formidabel.« Der Russe hatte nichts verstanden, wie Joseph sofort klar war, aber er hatte keine Zeit zu verlieren.
»Andrej«, Vladimir saß im Kinderzimmer auf dem Bett der Zwillinge, eine trockene Zigarette im Mundwinkel, die er rauchte, als rauchte er sie. »Andrej, wo bist du? Ruf zurück, du Hurensohn! Warum hast du dein Handy aus, habe ich dir nicht verboten, das Scheißding auszuschalten! Hast du das Paket? Mach sofort das Handy an!« Vladimir klappte das Handy zu, nur um sofort wieder anzurufen. Schon seit er die Party verlassen hatte, machte er nichts anderes, als zwischen den Kuscheltieren der
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