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Seine Zeit zu sterben (German Edition)

Seine Zeit zu sterben (German Edition)

Titel: Seine Zeit zu sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Ostermaier
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und hatte ihren Lovern Lügen in die Hand geschrieben oder war einfach noch in der Nacht, in den ersten Morgen- und Gewissensstunden aufgebrochen, während sie noch schliefen, zerkratzt, geschlagen, bewusstlos geküsst. Ein Schluck Wein und weg auf Nimmerwiedersehen. Sie zuckte zusammen bei dem Gedanken, sie könnten alle hier sitzen in der Zuschauermenge, alle wären sie hier, der Vater des Kindes, er wäre ganz in ihrer Nähe, mit seiner Familie, seinem Sohn oder seiner Tochter, hielt Händchen mit seiner Frau, entdeckte sie und zuckte zusammen. Sie würde abtreiben, abtreiben müssen. Alleinerziehende Revolverheldin sucht Tagesvater. Sie hatte ihrem Vater am Sterbebett versprochen, nie abzutreiben, war in Heulkrämpfen neben ihm gesessen, warum waren das seine letzten Worte, treib nie ab, versprich mir das. Vielleicht ginge es von selbst ab, wenn sie auf der Piste stürzte, wenn ein Schuss sie streifte, wenn sie die Nacht durchtanzte. Sie hatte die ganze Flasche in sich hineingeschüttet, als hätte sie es geahnt, als hätte sie das Embryo, das Kind ertränken wollen im Rotwein. Das Phantom. Bei wie viel Promille fing das Leben an? Warum erfanden sie jetzt alle Namen für ihre Weine, The Legend, Mephisto. Sie hatte das Rennen kaum wahrgenommen, sich nur auf Schwarzenegger konzentriert, seine Umgebung, aber eigentlich war sie abwesend gewesen. Wollte er aufstehen jetzt? Wieder kein Österreicher. Nur Dritter, und Zweiter, auch der Kanadier sah gut aus. Vielleicht war es ein Rennfahrer. Der Sieger hätte ihr gefallen als Vater, seine Spermien hätten sicher vor nichts Angst. Was für Schenkel dieser Paris hatte und das süße Bärtchen, war ja fast noch ein Junge. Aber sie standen lieber auf Skiern als auf Mädchen. Die schwangere Kommissarin. Hat das Phantom dir ein Kind gemacht? Sie würden sie verspotten. Vielleicht wars der Arnie bei der Streif, du hast ihn doch nicht aus den Augen gelassen, bist ihm im Rasmushof sogar in den Keller nach. Warum nicht gleich mit Boris in der Besenkammer, Bonnie und Boris. Vielleicht, wenn sie sich weiter schwarzärgerte über sich, über ihren Leichtsinn, ihre Leichtsinnlichkeit, sie war ein leichtes Mädchen für so einen muskulösen Rennfahrer. Wenn ein Österreicher gewonnen hätte, wäre Schatterer unausstehlich gewesen. Jetzt feierte die Menge in der Arena sich selbst, den Südtiroler und ihren Dritten. Sie waren die eigentlichen, wahren Sieger, die unter diesem leuchtenden Himmelszelt versammelt waren, die Auserwählten. Gleich würden sie in das andere Himmelszelt von Do&Co hinüberwandern, Austria-Austern schlürfen, Tiroler Trüffelgröstl.
    Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge, sie blickte auf den Bildschirm. Das Rennen war vorbei, der letzte Fahrer war längst im Ziel, aber da war ein weiterer und die Zeit lief. Bonnie konnte sich nicht erklären warum, aber die Uhr lief und die Kameras übertrugen den Lauf des schwarzen Fahrers. Die Verantwortlichen gerieten in Panik, schrien durcheinander, gaben hektische Kommandos, er war nicht aufzuhalten, wer sich ihm in den Weg gestellt hätte, dem hätte er den Kopf abrasiert, der hätte sein eigenes Leben oder das des Läufers riskiert, er blieb auf der Strecke und riss eine Zwischenbestzeit nach der anderen.
    Bis jemand im Publikum schrie: das ist der Huller, das ist der Huller Franz. Da war er schon über die Traverse und hatte sie so gut wie kein anderer vor ihm gequert. Jetzt stürzte er auf den Zielraum zu. Wo er gestürzt war, damals. Was hatte er vor? Bonnies Ohr fiepte, jetzt hörte sie die Stimme. Was hat er vor? Haltet ihn auf. Haltet ihn auf. Er will in die Menge schießen. Sollte sie Huller erschießen, während er auf sie zuflog? Sollte sie sich über Schwarzenegger werfen? Ihre Pistole jetzt ziehen und abdrücken. Da! Huller, sie sah ihn, Bestzeit, er würde Bestzeit … Dann ein Knall. War es ein Schuss, ein Aufprall? Alles schrie, stob auseinander, sprang auf, Schockstarre. Kurz verlor Bonnie den Überblick und sah nichts als schwarz und Blut auf Schnee.

17
    »Dein Handy ist aufgeladen«, Petra reichte Yvonne ihr Telefon und goss sich Champagner nach. Die Sonne verspielte sich in den Eiswürfeln und labte sich an den Gesichtern der beiden Frauen, die sich ihr entgegenstreckten wie Blumenkelche zu Beginn des Frühlings nach einem unerbittlichen Winter. Sie hatten alle Beziehungs- und Kosmetikfragen durchdekliniert, waren durch ihrer beider Leben wie durch zwei Slalomläufe gekurvt, hatten ausführlichst

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