Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Titel: Seit du tot bist: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie McKenzie
Vom Netzwerk:
stand ich für Art nicht mehr im Mittelpunkt, und als ich versuchte, ihm zu sagen, wie groß mein Schmerz war, konnte er damit nicht umgehen.
    Ich sehe zu Lorcan hinüber. Er fährt mit ungerührtem Gesichtsausdruck. In all unseren gemeinsamen Jahren hat Art mich nie wirklich verstanden. Lorcan, wird mir klar, versteht mich, ohne sich anzustrengen. Er sieht mich an und lächelt, und mein Magen schlägt einen Purzelbaum, so wie er es schon lange nicht mehr getan hat.
    »Ich denke …« Meine Stimme ist ein Flüstern. »Ich denke, ich möchte wissen, was aus uns wird.«
    Eine halbe Stunde hinter Andover stecken wir auf der A344 in einem Stau. Während wir dahinkriechen, kommt Stonehenge in Sicht. Lorcan stupst mich mit dem Ellbogen an.
    »Hast du nicht erzählt, du seist als Kind mit deinem Vater hier gewesen?«
    »Stimmt.« Ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht, doch ich erinnere mich deutlich, dass ich noch sehr klein war – vielleicht fünf oder sechs. Es war ein drückend heißer Sommerabend, und Dad hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass wir ein Abenteuer erleben sollten. Nur er und ich. Ich weiß noch, dass Mum ihn angefleht hat, mich nicht im Wagen mitzunehmen, und wie aufgeregt ich war, als Dad mich aus dem Haus scheuchte und mich mit einer Dose Limo und einer Tüte Chips mit Salz und Essig auf den Rücksitz unseres Ford Cortina verfrachtete.
    Lorcan fährt von der Hauptstraße ab. Ich schaue zu ihm hinüber, wache aus meinen Träumereien auf.
    »Was hast du vor?«
    »Pinkelpause.« Er zeigt auf das vor uns liegende Besucherzentrum von Stonehenge.
    Wir parken und Lorcan verschwindet nach drinnen. Ich schaue hinüber zu den Steinen. Man kommt nur noch mit privaten Führungen ganz nah an sie heran. Schon seit Langem hat die Öffentlichkeit keinen freien Zugang mehr zu ihnen … wahrscheinlich war das selbst Ende der Siebzigerjahre, als Dad mit mir hier war, schon der Fall. Nicht dass ihn das abgehalten hätte. Plötzlich ist die Erinnerung wieder da: Wir waren im Dunkeln über das Feld gestolpert und über den Zaun geklettert. Es war geisterhaft still, aber ich hatte keine Angst. Ich hielt Dad an der Hand, und was machte es schon, dass er auf dem Weg zu den Steinen dreimal hinfiel? Er stand immer wieder auf. Ich ringe nach Luft, weil mir plötzlich klar wird, wie betrunken er gewesen sein muss. Kein Wunder, dass Mum ihn angefleht hatte, mich zu Hause zu lassen. Ich schaue zu den Steinpfeilern hinüber. Ich erinnere mich, wie wir den ersten Pfeiler erreicht haben. Dad lehnte sich dagegen und winkte mich dann zu sich. Ich sehe immer noch vor mir, wie ihm sein langer Pony über die Augen fiel, sehe das leidenschaftliche Leuchten in seinen Augen, als er mit feierlicher Stimme in die Nacht sprach.
    »Dieser Steinkreis wurde durch Magie hierhergebracht, Queenie, den ganzen Weg von Irland.« Er legte die Handflächen auf den Pfeiler und schwankte dabei ein bisschen. Ich tat es ihm nach und spürte den kühlen rauen Stein unter meinen Fingern. Er schloss die Augen. Wieder folgte ich seinem Beispiel. Und dann seufzte er. »Diese Steine heilen die Kranken, Queenie.«
    Ich öffnete ein Auge und sah zu ihm hoch. »Bist du krank, Daddy?«
    Er lachte. Ich kann mich erinnern, dass ich dachte, dass irgendetwas mit seinem Lachen nicht stimme, so als habe er etwas Bitteres im Mund. Er antwortete nicht.
    Ich schaue noch einmal zu den Steinen hinüber, wende den Blick dann ab. Die Erinnerung an diesen Abend mit Dad ist für mich immer eine ganz besondere gewesen, denn bis heute habe ich geglaubt, unser Ausflug sei etwas, was er für mich getan habe. Erst jetzt wird mir klar, dass das, was ich als Abenteuer betrachtet habe, für ihn etwas ganz anderes war. Wonach hat er gesucht? Nach Rettung? Erlösung? Was immer es war, er hat mich nicht mitgenommen, weil er mir etwas geben wollte. Er war betrunken und dachte nur an seinen eigenen Schmerz. Und meine einzige Rolle war die, seine Zeugin zu sein.
    »Gen?« Lorcans Stimme reißt mich aus meiner Erinnerung. Er kommt aus dem Besucherzentrum auf mich zu. »Können wir weiterfahren?«
    Shepton Longchamp ist ein großes Dorf, hat aber dennoch seinen dörflichen Charakter weitgehend behalten. Es ist kurz nach fünfzehn Uhr, als wir über die Hauptstraße fahren, vorbei an den wenigen Geschäften – einem Lebensmittelladen, einem Zeitschriftenladen und einer Apotheke – sowie einem kleinen Pub namens Dog & Duck, das mit seinem Efeu an den Mauern und den Blumenkörben an Eisenhaken

Weitere Kostenlose Bücher