Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
der Bettdecke eine Zeichentrickfigur abgebildet ist. Ich habe keine Ahnung, welche. Aus irgendeinem Grund schmerzt mich das mehr als alles andere – es erinnert mich daran, wie weit außerhalb von Eds Leben ich stehe.
Eds Haut ist weich. Ich hebe seinen Arm – er ist schwer. Er schläft tief und fest. Ich rüttle ihn sanft, doch er wacht nicht auf. Unten ist ein Krachen zu hören – so als sei ein Stuhl umgekippt. Ich zucke zusammen. War das Lorcan? Versucht Kelly abzuhauen?
Oder ist Art vielleicht zurück? Ich sehe auf die Uhr. Er hat versprochen, zwanzig Minuten lang im Pub auf mich zu warten, und bis jetzt sind erst fünfzehn vergangen, sodass er sicher noch dort ist.
Ed schläft weiter. Ich versuche ihn hochzuheben, aber er ist schwer. Ich bin nicht sicher, ob ich ihn allein den ganzen Weg nach unten tragen kann. Ich rüttle noch einmal an seinem Arm. Keine Reaktion. Von unten dringt wieder ein Laut nach oben – diesmal wird eine Tür zugeschlagen.
Ich lege Ed wieder aufs Bett. Ich muss Lorcan finden. Er muss mir helfen, Ed zu tragen. Ich renne aus dem Zimmer in Richtung Treppe. Unten ist alles ruhig.
Ich hoffe immer noch, dass niemand sonst im Haus ist, und schleiche durch den Gang zu der Stelle, an der ich Lorcan zuletzt gesehen habe. Er war auf die Tür am Ende des Gangs zugesteuert. Er und Kelly müssen dort drin sein.
Vorsichtig stoße ich die Tür auf. Ein Birnbaumtisch steht in der Mitte einer großen Küche, die wie der Rest des Hauses sehr minimalistisch eingerichtet und ordentlich ist, mit viel glänzendem Chrom und einem nilgrünen Spritzschutz. Ein Stuhl liegt umgekippt da. Abgesehen davon sieht der Raum unberührt aus. Es gibt zwei Türen, eine an jedem Ende. Die hintere Tür steht weit offen. Kalte Luft strömt herein. Ich vermute, dass diese Tür zu der Garage führt, die wir draußen gesehen haben. Hat Lorcan Kelly dorthin gebracht?
Ich möchte nach ihm rufen, doch plötzlich habe ich Angst, dass noch jemand da sein könnte. Auf Zehenspitzen schleiche ich auf die offene Tür zu. Plötzlich denke ich wieder an die Garage, daran, wie ich in der Dunkelheit durch sie hindurch zu dem offenen Brachland auf der anderen Seite gelangt war … zu Bernards Leichnam.
Ich höre nichts außer meinem eigenen Herzschlag. Ein Schweißtopfen läuft mir den Nacken hinunter, als ich die offene Tür erreiche. Die Garage liegt im Dunkeln. Ich kann nur eine Reihe von Regalen und einen Karton mit Weinflaschen erkennen. Ich taste nach einem Lichtschalter, doch er befindet sich nicht dort, wo ich ihn erwartet habe. Ich betrete die Garage und lasse meinen Augen Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
Auf der anderen Seite des Raums, am hinteren Ende eines Werkzeugregals, hängt eine Gestalt in sich zusammengesunken auf einem Stuhl. Es ist Lorcan. Einen Moment lang begreife ich es nicht. Er scheint mit einem Seil festgebunden zu sein; sein Mund ist geknebelt. Als ich ihn anstarre, schaut er auf. Sein Gesicht ist verletzt – zwei rote Flecken am Kinn und auf der Wange –, und da ist ein Rinnsal getrockneten Bluts von einem Schnitt an der Lippe. Doch seine Augen brennen vor Wut. Er versucht zu schreien, doch es dringt nur ein Röcheln aus dem geknebelten Mund.
Ich erstarre. Erkenne den großen, breitschultrigen Mann, der mich überfallen hat: Er steht hinter Lorcan. Ich bemerke ihn, als er einen Schritt nach vorn tritt und Lorcan die Hand auf die Schulter legt. Er trägt einen dunklen Mantel, dessen Kapuze tief ins Gesicht gezogen ist. Auch er schaut hinüber zu mir, und zum ersten Mal sehe ich ihn richtig: breites Gesicht, slawische Wangenknochen und kurz geschnittenes Haar. Er ist wirklich riesig. Er hält eine Pistole hoch. Ich starre auf den Metalllauf. Wird er mich erschießen?
»Wer sind Sie?«, frage ich.
Der Riese schwenkt die Pistole, fordert mich auf, zu ihm zu kommen. »Hier rüber«, grunzt er.
Ich habe keine andere Wahl. Zitternd vor Kälte und Angst gehe ich zu ihm rüber. Lorcan stampft mit dem Fuß auf, als ich näher komme. Er versucht, mir trotz des Knebels etwas zu sagen, aber ich weiß nicht, was.
»Gib mir dein Handy.« Die Stimme des Riesen ist ein leises, bedrohliches Knurren. Ich will ihm nicht meinen einzigen Kontakt zur Außenwelt aushändigen, aber wieder habe ich keine Wahl. Den Blick auf die Pistole gerichtet, reiche ich ihm mein Handy. Er entfernt die SIM -Karte, steckt sie in die eine Hosentasche, das Handy in die andere, und drängt sich an mir vorbei. Er geht zur Tür und
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