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Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Titel: Seit du tot bist: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie McKenzie
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bin ich so wütend, dass mir das egal ist. Ich nehme den Schuhkarton aus dem Schrank und hebe den Deckel hoch.
    Der Karton ist leer.
    Ungläubig starre ich hinein. Einen Moment lang glaube ich, wirklich verrückt geworden zu sein. Ich zweifle alles an: dass dies der Karton ist, den Art mir gezeigt hat; dass er all die Papiere zu Beths Totgeburt und Begräbnis enthielt; dass meine Augen richtig funktionieren. Dann lässt der Schock nach, und die Erkenntnis dringt zu mir durch: Das hier ist der Karton. Aber alle Papiere sind weg. Wo sind sie?
    Ich sehe mich um, lasse meinen Blick über die anderen Fächer und den in Schranknähe stehenden Schreibtisch schweifen. Streifen bunten Papiers liegen neben dem Reißwolf. Ich greife nach ein paar roten und blauen. Es sind die Farben des Logos von Tapps Funeral Services, da bin ich mir sicher. Ich kenne sie von ihrem Briefkopf.
    »Was zum Teufel machst du hier?«
    Ich fahre herum. Art steht in der Tür, verschlafen und mit zerzaustem Haar. Er betrachtet den offenen Schrank und das aufgebrochene Schloss.
    Ich strecke die Hand aus, die Handfläche nach oben, und zeige ihm die Papierstreifen.
    »Hast du alle Papiere von Beth geschreddert?«
    Art kommt auf mich zu. Die Dielen knarren laut. Seine Augen sind auf die Holzsplitter an der Schranktür gerichtet. »Warum hast du die aufgebrochen?« Er sieht mich entsetzt an. »Gen, was ist los mit dir?«
    »Beantworte meine Frage.«
    Art hat die Tür erreicht und berührt das kaputte Schloss.
    »Art, was hast du mit dem Inhalt des Kartons gemacht?«, frage ich noch einmal.
    Sein Gesicht ist blass. »Gen, ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich. Wenn du in diesen Schrank schauen wolltest, warum hast du mich nicht einfach um den Schlüssel gebeten? Dein Verhalten ist nicht normal.«
    Frustration macht sich in mir breit. »Einen Totenschein zu schreddern auch nicht.«
    »Hab ich nicht. Der Totenschein ist bei all unseren anderen Unterlagen«, sagt Art. »Ich habe nur die Broschüren und Briefe weggeworfen.«
    »Aber sie waren alles, was wir von ihr hatten.«
    »Nein, waren sie nicht. Sie waren Verwaltungskram . Sie hatten nichts mit ihr zu tun. Und sowieso hast du sie jahrelang nicht mehr angeschaut, bis diese verdammte Frau hier aufgetaucht ist. Von den meisten wusstest du nicht einmal, dass sie existieren.« Er streckt die Hand aus, um mein Gesicht zu berühren, zärtliche Besorgnis im Blick, doch ich weiche zurück.
    »Mensch, Gen. Ich will nicht, dass es wieder so wird wie mit diesem Strampler.«
    Ich halte die Luft an. Art hat nie verstanden, warum ich diesen kleinen weißen Strampler behalten wollte. Er fand das krankhaft.
    »Ich glaube nicht, dass es gut für dich ist, wenn du noch einmal alles anschaust«, sagt Art traurig. »Ich mache mir Sorgen um dich, Gen. Du verrennst dich da in etwas. Erst diese dumme Zahlung, dann all die Papiere …«
    »Ich will nur die Wahrheit wissen«, beharre ich.
    Art schüttelt den Kopf, streckt wieder die Hand nach mir aus. Ich weiche zum Schreibtisch zurück, fühle mich in der Falle, eingepfercht. Arts Finger streicheln meine Wange. »Gen, Liebling, ich habe mit Hen gesprochen, und wir sind beide der Meinung, dass du wieder zu diesem Therapeuten gehen solltest.«
    Ich schiebe seine Hand weg. Also war es Art, mit dem Hen neulich am Telefon gesprochen hatte. Oder wenn nicht zu diesem Zeitpunkt, auf jeden Fall ein anderes Mal. Mir wird übel. Nicht nur, weil Art sich Hen schon wieder anvertraut hat. Eine Therapie ist das Letzte, was ich im Moment brauche. Der Therapeut, zu dem ich nach Beths Tod eine Weile lang gegangen bin, hat mir ein wenig geholfen, doch am Ende war ich es leid, den Klang meiner eigenen Stimme zu hören, hatte es satt, immer wieder dasselbe durchzukauen. Die Selbsthilfegruppe, mit der ich es versucht habe, war auch nicht besser. All diese Mütter hatten bereits andere Kinder – oder wurden im Verlauf unserer Treffen wieder schwanger.
    »Wann hast du all die Papiere vernichtet?«, verlange ich zu wissen.
    »Ich weiß nicht.« Art runzelt die Stirn. »Irgendwann, nachdem du sie dir letzte Woche angesehen hast.«
    Ich erinnere mich, dass ich an jenem Abend nach unten gegangen bin, um Lucy O’Donnell anzurufen, und die Dielen im Büro habe knarren hören, und dass Art abgestritten hat, oben gewesen zu sein.
    »Du hast gesagt, du seist nicht wieder hier oben gewesen.« In meinem Kopf dreht sich jetzt alles. »Was ist hier los? Versuchst du, mich so weit zu bringen, dass ich glaube,

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