Seit du tot bist: Thriller (German Edition)

Badewannenrand, das Handy in meiner Hand zittert. Ich kenne das Passwort. Ich weiß auch, dass ich eine Grenze überschreite, wenn ich es benutze und Arts Anrufe und Mails checke – eine Grenze, die zu überschreiten ich mir in all den Jahren, die wir uns kennen, nie hätte träumen lassen.
    Ich zögere, habe keine Ahnung, was ich hier eigentlich tue, aber trotz Arts Aufrichtigkeit lauert im Hintergrund ein Schatten und hält mich davon ab, Lucy O’Donnells Behauptung, Art habe es zugelassen, dass der Doktor mir Beth wegnahm, einfach abzutun.
    Draußen vor dem Haus fällt ein Mülleimerdeckel auf die Erde, und ich schrecke hoch. Ich kann nicht länger warten. Ich muss so viel wie möglich herausfinden. Ich gebe das Passwort ein, klicke das E-Mail-Icon an und überfliege die Eingänge – lauter geschäftliches Zeugs. Dann will ich mir die Mails ansehen, die er gesendet hat. Aber sie sind alle gelöscht. Ebenso die Voicemails. Was ist mit den Gesprächsprotokollen? Ich habe keine Ahnung, wonach ich suche, gehe die Liste der Anrufer aber trotzdem durch. Die meisten Namen sind mir bekannt … mehrmals Kyle, Tris und Dan … andere Mitarbeiter … Arts Steuerberater … plus Namen von Kunden, die ich wiedererkenne. Dazwischen ein paar Nummern ohne Namen. Ich scrolle weiter zurück. Da sind Anrufe von Morgan und Hen am letzten Wochenende und von Hen in der Woche davor – der Woche, in der Lucy O’Donnell aufgetaucht war. Weitere mir unbekannte Anrufer. Ich hole mein eigenes Handy hervor und betrachte Lorcans und Lucy O’Donnells Nummer. Lorcans ist auch auf Arts Handy – nur einmal, an dem Samstagnachmittag nach der Party. Nun, das ist keine Überraschung. Ich weiß, dass er Art angerufen und zu diesem Drink eingeladen hat. Lucys Nummer erscheint nicht auf Arts Handy. Und auch nicht die Nummer des Fair Angel oder von Tapps Funeral Services. Ich halte einen Moment inne, erkenne, was dies bedeutet: Art hat mit niemandem aus der Vergangenheit Kontakt gehabt – zumindest nicht per Handy.
    Draußen bellt ein Hund. Ich werfe einen Blick in den Flur, lausche angestrengt, ob Art vielleicht aufsteht, doch im Haus ist es ruhig. Schweißperlen stehen mir auf der Stirn. Ich scrolle immer wieder die Liste herunter. Panik steigt in mir hoch. Was mache ich hier? Was, wenn Art aufwacht und mich hier sieht? Was hoffe ich zu finden? Was wird es beweisen?
    Ich habe keine Antworten, suche aber weiter. Es hat keinen Sinn, diese Telefonnummern bedeuten nichts. Es handelt sich nur um zufällige, einzelne Anrufe, die – Moment mal . Da gibt es eine Nummer, die immer wieder auftaucht. Es ist eine Handynummer mit 865 am Ende. Wem immer diese Nummer gehört, er hat Art vergangene Woche jeden Tag angerufen. Gestern sogar zwölfmal.
    Ich notiere mir schnell die Nummer. Auf Zehenspitzen und mit schweißnassen Händen gehe ich zurück ins Schlafzimmer und lege Arts Handy wieder dorthin, wo ich es gefunden habe. Er liegt noch genauso da wie vorher und atmet gleichmäßig.
    Ich starre auf die Nummer. Wer ruft Art ständig an? Am liebsten würde ich ihn aufwecken und eine Antwort verlangen, doch dann müsste ich auch eingestehen, dass ich herumgeschnüffelt habe.
    Wenn ich Art frage, wird er sich irgendeine Erklärung einfallen lassen … irgendeinen Weg finden, meine Frage lächerlich aussehen zu lassen. Ich hole tief Luft. Es gibt drei Möglichkeiten.
    Option eins: Der Anrufer ist ein nerviger Kunde/jemand, der versucht, ihm etwas zu verkaufen/ein Spinner. Ich bin mir sicher, dass Art genau das behaupten würde, würde ich ihn zu einer Antwort nötigen, aber warum hat er dann die Nummer nicht einfach blockiert?
    Option zwei: Art hat eine Affäre, und der Anrufer ist eine Frau, die überhaupt nichts mit Beth zu tun hat. Abgesehen davon, dass ich nicht ernsthaft glauben kann, dass Art mir untreu ist, stammen die Anrufe auch alle von dieser Nummer. Art hat nie zurückgerufen. Nicht ein einziges Mal.
    Option drei: Der Anrufer hat etwas mit Beth zu tun. Vielleicht weiß er oder sie sogar, wo Beth ist. Nein … nein … Das ist total verrückt.
    Mit zusammengebissenen Zähnen greife ich nach meinem Handy. Ich stelle sicher, dass meine Nummer unterdrückt ist, und wähle dann. Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich sagen soll, wenn jemand rangeht, aber ich kann diese Unsicherheit nicht länger ertragen.
    Die Nummer wird angewählt. Meine Hand fühlt sich schweißig an. Mein Gott, was tue ich hier nur?
    Eine automatische Ansage – ohne Namen, nur