Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
davon. Wenn man mir Beth nicht genommen hätte, dann würden vielleicht sie und Nat sich gerade im Wohnzimmer ein Lager bauen. Ich frage mich, was Hen in ihr gesehen hätte … ob Beth mir so ähnlich gewesen wäre wie Nat ihr …
Dann begreife ich plötzlich … wenn Beth noch lebt, dann ist sie mir vielleicht schon ähnlich.
Hen setzt sich wieder. »Erzähl weiter«, fordert sie mich auf.
»Ich habe einen Film gefunden«, beginne ich langsam. »Einen Film, der Art mit unserem Baby zeigt.«
Hen runzelt die Stirn. »Wie ist das möglich?«
Ich erkläre ihr die Sache mit dem Überwachungsband aus dem Fair Angel. »Art behauptet, es sei eine Fälschung, aber …«
»Es muss eine Fälschung sein«, unterbricht Hen mich. »Es gibt keine andere Erklärung.«
»Nein, es zeigt, wie die Krankenschwester, die bei der Geburt dabei war – Mary Duncan –, Beth im Arm hält und sie Art übergibt. Er …«
»Aber du hast doch gesagt, du könntest dich nicht erinnern, wie sie aussieht«, wirft Hen ein. »Als ihre Schwester zu dir kam, hast du gesagt, du wärst nicht sicher, ob die Frau auf dem Foto, das sie dir gezeigt hat, tatsächlich die Krankenschwester aus der Geburtsklinik war. Ich erinnere mich, dass du das gesagt hast.«
»Ich weiß«, gebe ich zu. »Aber als ich den Film sah, habe ich sie erkannt. Und dann bin ich überfallen worden, und der Mann, der mich überfiel, hat mir gedroht. Er hat gesagt, ich würde enden wie Lucy O’Donnell, wenn ich nicht aufhöre, Fragen über Beth zu stellen.«
Ich sehe Hen in die Augen, hoffe, dass ihre Verwirrung dem Erkennen weicht, dass dies endlich der Beweis dafür ist, dass ich recht habe – dass Beth mir gestohlen wurde. Doch ich sehe in Hens Augen nur Angst – und Mitleid.
»Oh Gen.« Sie greift über den Tisch und nimmt meine Hand. »Gen, es tut mir so leid, aber wo ist dieser Film jetzt?«
»Der Mann, der mich überfallen hat, er hat ihn mitgenommen .« Ich starre sie an. Hat sie nicht verstanden, was ich gesagt habe?
Hen legt das Gesicht in Sorgenfalten. »Ach Gen …«
Sie drückt meine Hand, und plötzlich wird mir klar, was sie denkt. Ich fasse es nicht! Ich stehe auf und entziehe ihr meine Hand.
»Du denkst, ich hab mir das alles nur eingebildet?« Mir versagt die Stimme. Wie kann Hen nur glauben, dass ich so paranoid bin? So krank?
Sie dementiert meine Frage nicht. Sie ist ebenfalls aufgestanden und presst die Hände ineinander – eine flehende Geste. »Bitte, Gen, sei nicht böse. Ich glaube nicht, dass du irgendetwas hiervon absichtlich tust. Ich denke nur, dass du schon seit Langem labil bist und dass diese Frau, die bei dir aufgetaucht ist und dir erzählt hat, dass Beth lebt, dir den Rest gegeben hat. Es ist nicht deine Schuld, es könnte jedem passieren. Art und ich sind …«
»Art und du.« Meine Stimme ist hart und schrill. Hen erstarrt.
»Nicht so.« Entsetzt reißt sie die Augen auf. »Es ist nur, weil wir dich lieben, Gen.«
»Schon gut.« Einen Moment lang schwanke ich, erwäge die Möglichkeit, dass Art und Hen recht haben und dass ich tatsächlich verrückt bin und mir alles einbilde, von dem Überwachungsband über den Angriff auf der Straße bis hin zu den Drohungen, die ich noch immer im Ohr habe.
Hör auf, in der Vergangenheit herumzuwühlen, sonst passiert dir dasselbe.
Und dann fällt mir ein, dass ich nicht die Einzige bin, die den Film gesehen hat.
»Lorcan Byrne hat das Überwachungsband auch gesehen«, sage ich. »Sein Sohn hat die Datei für uns geöffnet. Er hat gesehen , wie Art Beth weggebracht hat.«
Hen schüttelt traurig den Kopf. »Woher weißt du, dass Lorcan das Band nicht gefälscht hat?«, fragt sie.
Dieser Gedanke trifft mich bis ins Mark. Ich erinnere mich plötzlich an eine Party in dem Jahr, in dem ich Art kennenlernte, bei der wir beide zu einer Gruppe gehörten, die »Wahrheit oder Pflicht« spielte. Ich drehte die Flasche. Sie zeigte auf Art.
»Wahrheit oder Pflicht?«, hatte ich ihn gefragt.
»Wahrheit.« Er sah mir furchtlos in die Augen. Ich ging im Kopf schnell eine Reihe von Fragen durch und verwarf jede als zu billig oder zu albern.
»Kann ich dir vertrauen?« Die Worte waren heraus, bevor ich nachdenken konnte. Alle sahen jetzt Art an, knisternde Spannung lag in der Luft. Wir waren erst seit ein paar Monaten zusammen, und ich hatte, wie mir klar wurde, mehr von meinen Gefühlen preisgegeben als beabsichtigt.
Art hielt meinem Blick stand, schaute mir so fest in die Augen, dass alles um mich
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