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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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und feucht. Sie umarmte ihn als Erste und warf dann einen Blick auf mich, als wollte sie ihr Kleinkind ermutigen, doch in den Stuhlkreis zu kommen und bei den Abzählversen mitzumachen.
    »Hi«, sagte ich unsicher und ließ mich umarmen. Er drückte mich fest an sich, und ich erlaubte mir, mich zu entspannen. Vielleicht wurde ja doch alles gut.
    »Ich habe große Pläne für uns, Mädels«, verkündete er und rieb sich dabei die Hände wie ein boshaftes Genie, und mir wurde klar, dass ich ihn noch genauso liebte wie eh und je, nur dass ich jetzt mein Ziel ins Auge gefasst und verfehlt hatte. War es schlimmer, hier zu sein – so nah und doch so fern – oder ihn gar nicht mehr in meinem Leben zu haben? Ich wusste es noch nicht.
    Der Studentenklub, den wir aufsuchten, hätte Sally normalerweise nur ein Rümpfen ihres Stupsnäschens entlockt, aber heute Abend schien sie sich glücklich in das nach Schweiß riechende Getümmel zu stürzen. Wir tranken reichlich Wodka und diverse Schnäpse und tanzten zu den Happy Mondays, als wär’s unsere letzte Nacht auf Erden. Sally verströmte jene ausgelassene Lebhaftigkeit, die manchmal über sie kam, und gebärdete sich wie ein Feuerwerk kurz nach dem Anzünden, wenn man weiß, dass man sich eigentlich in Sicherheit bringen müsste. James fuhr voll darauf ab – ihn zu bitten, es nicht zu tun, käme der Bitte an einen Vogel gleich, das Fliegen sein zu lassen –, und ich gab mir alle Mühe, nicht sauer zu sein wegen der Blicke, die er ihr zuwarf. Wenigstens hatte ich ihn wieder an meiner Seite, und er war in meiner Reichweite, und ich war mir sicher, dass sie nicht im Traum daran dachte, aktiv zu werden. Sie war einfach nur sie selbst, die Person, die ich bewunderte, und jede Spur von Eifersucht war ein Übel, das ich ausmerzen musste.
    Ich spielte die Glückliche und therapierte mich mit Schnäpsen, obwohl ich wusste, dass ich nicht so viel vertrug wie Sally. Ein fataler Fehler: Wir wurden rausgeschmissen, ich musste mich vor dem Klub übergeben, dann zwängten wir uns zu dritt in ein Taxi, und ich konnte nur verzweifelt hoffen, dass James es nicht roch und ihm noch den letzten Rest an Verlangen austrieb. Als wir zurückkamen, machte Sally großes Aufhebens um mich und brachte mich in einem Zimmer, das einer von James’ Mitbewohnern freigemacht hatte, zu Bett, nachdem sie mir geholfen hatte, mein Haar zu waschen und dafür zu sorgen, dass alle Spuren beseitigt waren. Ich kam mir verhätschelt vor und fiel daraufhin in einen unruhigen, benebelten Schlaf.
    Als sie neben mir ins Bett stieg, zeigten sich am Himmel schon blaue Streifen.
    »Entschuldige«, flüsterte sie, »schlaf weiter. Du brauchst deine Ruhe.«
    »Wie spät ist es?«
    »Spät. Wir haben noch geplaudert.«
    In mir läuteten die Alarmglocken, der Schlaf war plötzlich eine ferne Erinnerung.
    »Worüber?«
    »Ach, dies und das«, sagte Sally mit zäher und schwerer Stimme, als wäre sie fast bewusstlos.
    War sie das? Vielleicht: Ihr Atem legte es jedenfalls nahe. Doch was mich betraf, keine Chance, ich lag nur da und versuchte meinen Herzschlag zu normalisieren, während meine Einbildungskraft mit mir durchging.
    Der Umgang der beiden miteinander am nächsten Tag war unglaublich locker – sie benötigten mich nicht mehr, sondern gingen sehr vertraut miteinander um. Ich redete mir ein, dass meine Ängste nichts weiter als Paranoia waren, wie sie einen schon mal in den frühen Morgenstunden überkommt, aber dennoch verwirrte mich der subtile Stimmungswechsel: In Sallys begierigen Händen war ein Dreieck ein gefährliches Spielzeug. James schlug einen Landspaziergang vor – er liebte alles, was entfernt sportlich war oder im Freien stattfand –, und Sally willigte sofort ein, obwohl ich sie noch kaum in etwas anderem als ihren High Heels gesehen hatte. Während wir ihm einen Hügel hinauf folgten, hakte sie sich bei mir unter.
    »Geht es dir besser? Du siehst jedenfalls tausendmal besser aus als gestern Abend.«
    »Ja, viel besser, danke.«
    »Fühlst du dich wohl?«
    Geht so, wäre die aufrichtige Antwort gewesen, aber die Wahrheit war eine Ware, die ich für den Frieden zu opfern gelernt hatte.
    »Ja, absolut.«
    »Gut! Sie sieht besser aus, nicht wahr, James?«
    »Mann, du warst regelrecht gelb. Du sahst aus wie Galle.«
    Er verzog das Gesicht, und ich lachte und war unheimlich dankbar, dass endlich wieder Normalität eingekehrt war. Er war gerötet vom Wind, seine blauen Augen zwinkerten warmherzig, und ich gab

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