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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Augenblick wünsche ich mir, Sally wäre hier. Sie wüsste die Grauzonen zu benennen – dass man ein schönes Leben haben und dennoch unglücklich sein kann, dass die Tatsache, Ehefrau und Mutter sein, nicht notwendigerweise dein eigentliches Wesen verändert. Ihr war es gegeben, Leute und Situation zu durchschauen, und genau das erlaubte ihr, ständig die Kontrolle über alles zu haben. Ich habe bei Sally meine Naivität verloren, was für mein eigenes Überleben zum Teil vielleicht auch gut war. Sie öffnete mir mit diesen schlauen, scharfsichtigen kleinen Beobachtungen die Augen für die wahre Natur des Menschen. Ich glaube nicht, dass sie gewollt hätte, retuschiert zu werden: Ich weiß, dass sie das nicht wollte. Wenn die Geschichten, die die Leute über dich erzählen, so süß und künstlich werden wie Zuckerguss, weil die ungeordnete Wirklichkeit dessen, was dich tatsächlich ausgemacht hat, zu kompliziert ist, um sie lebendig zu halten, dann bist du wirklich gestorben.
    Lola hält jetzt ihre Arme vor der Brust verschränkt, und die Wärme von vorhin ist mehr oder weniger verpufft. Vermutlich sollte ich mich zurückhalten, aber sie war Sally in deren letzten Monaten so nah, dass ich einfach noch ein wenig nachhaken muss.
    »Ich will ja nicht schroff sein.« Ich suche nach den richtigen Worten. »Es ist nur, es gibt noch immer so viele unbeantwortete Fragen im Hinblick auf das, was passiert ist. Das ist wirklich entsetzlich, aber ich denke, du wirst es wissen wollen. Die Versicherungsgesellschaft versucht nachzuweisen, dass es Selbstmord gewesen sein könnte.«
    Aus Lolas Gesicht weicht alle Farbe, und ihre Augen werden groß wie Untertassen. Ich hätte es ihr nicht sagen sollen. Es dauert fast eine Viertelstunde, bis die Nachricht richtig bei ihr ankommt, so sehr überwältigt sie der Schock.
    »Das ist Unsinn«, sagt sie immer wieder. »Wie können die nur so kaltschnäuzig sein?«
    »Ich weiß.«
    »Aber William weiß doch, dass es gelogen ist, oder?«, hakt sie nach.
    Ich muss an das Filmmaterial denken, an das Auto, das wie beim Flippern zwischen den Spuren hin- und herschießt, als hätte es einen eigenen Kopf. Zu wissen, dass es eine Lüge ist, ist seine Wahrheit, aber ob es tatsächlich die Wahrheit ist, ist eine völlig andere Frage.
    »Ja, er kämpft mit allen Mitteln dagegen an. Aber er muss wirklich bis ins kleinste Detail gehen. Sie hatte große Schulden«, ergänze ich vorsichtig und beobachte dabei ihr Gesicht. »Diese vielen Kreditkarten, von denen er keine Ahnung hatte.«
    Mir wird beim Atmen eng in der Brust, und mein Körper sagt mir, dass ich mich womöglich zu weit vorgewagt habe.
    »Sie hat schöne Dinge geliebt«, bemerkt Lola mit Verzweiflung im Blick.
    »Tut mir leid, dass ich das alles bei dir ablade«, entgegne ich lächelnd und in der Hoffnung, dass sie weiß, wie wichtig sie mir ist und dass ich mich nicht nur Sallys wegen mit ihr treffe. Sie greift über den Tisch nach meiner Hand.
    »Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast«, sagt sie und bekommt wieder feuchte Augen. Sie hält inne, und ich sehe ihr an, dass sie fieberhaft zu überlegen beginnt, als der Schock nachlässt. »Dann hast du wohl einige Zeit mit ihm verbracht?«
    »Nein, nicht allzu viel. Ich denke, es liegt einfach daran, dass er nicht allzu viele Leute zum Reden hat.«
    Meine Worte hallen in meinem Kopf nach, während ich innehalte. Es sollte eine Ausrede sein, aber vielleicht ist es die Wahrheit.
    Wir trinken noch ein Glas Wein und versuchen mit aller Kraft inmitten des Chaos wieder zu einer Art von Normalität zu finden. Sie erzählt mir ein wenig von ihrem Leben mit Justin und ihren zwei Jungs, wobei Zufriedenheit und Erschöpfung dicht nebeneinanderliegen, und ich versuche ihr mein Leben zu beschreiben, doch es gelingt mir nicht, sie davon zu überzeugen, dass das Herumhängen mit Filmstars so toll nun auch wieder nicht ist. Sie saugt die Einzelheiten geradezu in sich auf, und da wird mir klar, wie sie die kurzen Momente des Glamours vermissen muss, für die Sally gesorgt hat – die Reisen nach New York, die mit Sicherheit die absoluten Highlights in ihrem Terminkalender waren. Als ich ihr dann jedoch erzähle, dass ich immer noch Single bin, ist das Gleichgewicht wiederhergestellt. »Ich bin mir sicher, dass du schon bald jemanden kennenlernen wirst«, sagt sie mit freundlichem Mitgefühl im Blick, und ich nicke zustimmend und spüre dabei die Einsamkeit, so viel unter Verschluss halten zu müssen. Wie

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